Probleme mit neuer Orion-Kapsel Die Nasa in der Krise

Düsseldorf (RP). Das Space Shuttle wird 2010 ausgemustert. Am Nachfolger "Orion" üben Rechnungsprüfer nun harsche Kritik. Bei einem Versuch stürzte ein Test-System der Orion ab, und die neuen Raumanzüge bereiten ebenfalls Schwierigkeiten.

Orion - Die neue Raumfahrt-Kapsel der Nasa
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Die US-Weltraumbehörde Nasa steckt in einer ernsten Krise. Nicht nur, weil nach der geglückten Mondlandung 1969 der jähe Absturz folgte. Der wiederverwendbare Raumgleiter entpuppte sich als Fehlkonstruktion — der enorme Summen verschlungen und Menschenleben gekostet hat. Wenn die Space Shuttles im dritten Quartal 2010 ausgemustert werden, möchte die Nasa darum mit dem Nachfolger "Orion" wieder nach den Sternen greifen.

Schon das Design der Kapsel erinnert an die Apollo-Mond-Missionen. Nur dass Orion mit fünf Meter Durchmesser zweieinhalb Mal größer ist. Ins All wird sie von einer neuen Ares-Rakete getragen, die zeitgleich zur Kapsel entwickelt werden soll. So möchte die Nasa die Vision des noch amtierenden Präsidenten George W. Bush verwirklichen, bis 2020 wieder den Mond zu erreichen und später den Mars. Ein Plan unter dem Namen "Constellation", für den die Nasa bisher Verträge im Wert von rund 7,8 Milliarden Dollar unterzeichnet hat.

Doch nun droht ein erneuter Fehlschlag — noch bevor auch nur eine Orion-Kapsel gestartet ist. Das US-Pendant zum Bundesrechnungshof hat jüngst eine vernichtende Analyse des Constellation-Programmes veröffentlicht: Aufgrund technischer Unwägbarkeiten seien die Entwicklungszeit und die Kosten nicht mehr abschätzbar, so das harsche Urteil.

Lebensgefährliche Vibrationen

Beispielsweise hätten Computersimulationen gezeigt, dass die erste Stufe der Ares-Rakete Vibrationen auslöse. So heftig, dass das Leben der Besatzung in der Orion-Kapsel ernsthaft gefährdet sei; abgesehen von möglichen strukturellen Schäden des Gesamtsystems beim Start. Die Nasa hat darauf zwar reagiert und möchte dem mit einem Federungssystem abhelfen. Das existiert aber nur auf dem Papier und wirft neue Sicherheitsprobleme auf, die erst gelöst werden müssten.

In der zweiten Stufe möchte die Nasa ein kompliziertes Tanksystem einsetzen — das in den 60er Jahren für das Apollo-Programm aufgrund seiner Komplexität abgelehnt wurde. Wie und vor allem um welchen Preis es jetzt besser funktionieren soll, fragen sich nun die US-Rechnungsprüfer. Der Antrieb der zweiten Ares-Stufe dagegen beruht zwar auf Entwicklungen, die bei der Saturn-V-Rakete eingesetzt wurde, mit der die Apollo-Astronauten zum Mond geflogen sind. Allerdings wäre der neue Antrieb um einiges größer. Und eine Test-Anlage für diesen überarbeiteten, großen Antrieb existiere nicht, so die Kritik.

Ein ähnliches Problem heizt die Stimmung auch beim Hitzeschild an, der die Besatzung und die Kapsel beim Wiedereintritt schützen soll. Derzeit gebe es keine Industrie-Anlage, die einen Hitzeschild in dieser Größe überhaupt bauen könne. Und auch das Not-System an der Spitze der Ares, mit dem die künftige Orion-Besatzung sich nach dem Start aus bis zu 90 Kilometer Flughöhe retten kann, würde noch viele Fragen aufwerfen, deren Lösungen eine noch unbezifferte Summe kosten soll.

Die Behörde gelangt zu dem Schluss, dass die überaus optimistischen Ziele der Nasa kaum erreichbar seien, wenn man am Zeitplan festhalten möchte. Denn damit die Lücke zwischen Shuttle und Orion so klein wie möglich ist, soll spätestens 2012 die erste Orion-Kapsel um die Erde kreisen. 2014 soll die Internationale Weltraumstation besucht werden und 2019 ein Mensch auf dem Mond landen.

Weitere Probleme

Die Analyse des Rechnungshofes ist zudem nicht der einzige Rückschlag für die Nasa. Beim Test mit einem Modell der Kapsel, das aus 8000 Meter Höhe abgeworfen wurde, hatte sich einer von acht Fallschirmen nicht geöffnet. Die Kapsel stürzte ab und hinterließ einen Krater, statt sicher zu Boden zu schweben.

Ein weiteres Problem sind die neuen Raumanzüge. Der Vertrag, den man im Juni mit einem texanischen Unternehmen geschlossen hatte, wurde nun storniert. Damit wollte man einem Einspruch des Rechnungshofs zuvorkommen, die Kosten seien falsch kalkuliert worden — nachdem schon vorab ein Mitbewerber Protest eingelegt hatte.

Der Shuttle-Nachfolger scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Und der Frust sitzt mittlerweile tief bei den Nasa-Mitarbeitern. So tief, dass einige in ihrer Freizeit an einem Gegenkonzept namens "Jupiter" arbeiten. Sie möchten den bestehenden Shuttle-Tank sowie die beiden Start-Booster links und rechts weiterhin nutzen, nur ohne Shuttle. Stattdessen würde eine Kapsel auf die Spitze montiert. Das würde 19 Milliarden Dollar für die Entwicklung eines neuen Systems und weitere 16 Milliarden Dollar an Betriebskosten sparen, so lautet ihr Einwand. Bei der Nasa reagiert man auf so viel Eigeninitiative überaus empfindlich und spricht bei "Jupiter" in einem halboffiziellen Statement abfällig von "einer Skizze auf einer Serviette". Zumindest noch.

(RPMANTEL)
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