Rechtsextremistischer Hintergrund vermutet Zwei Jahre Haft für Überfall auf Schauspielgruppe

Magdeburg (RPO). Im Prozess um den Überfall auf eine Gruppe von Theaterschauspielern in Halberstadt ist der 23-jährige Hauptangeklagte zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Offenbar war der Überfall durch einen rechtsextremistischen Hintergrund motiviert.

Das Amtsgericht der Stadt in Sachsen-Anhalt sprach Christian W. am Mittwoch der gefährlicher Körperverletzung schuldig. Seine drei Mitangeklagten wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Das in Magdeburg tagende Schöffengericht blieb mit seinem Strafmaß für W. sechs Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, folgte aber mit den Freisprüchen den Plädoyers von Anklagebehörde, Verteidigung und Nebenklage.

Die vier vorbestraften jungen Männer mussten sich seit Oktober 2007 vor dem Amtsgericht Halberstadt verantworten. Die Staatsanwaltschaft kam am Ende der Hauptverhandlung zu dem Schluss, dass die Beweise nur zur Verurteilung des 23-Jährigen ausreichen. Dessen Verteidiger hatte auf zwölf Monate Haft wegen Körperverletzung plädiert.

Christian W. hatte seine Tatbeteiligung zugegeben, ein politisches Motiv allerdings bestritten. Er wolle aus der rechten Szene aussteigen und über diese aussagen. Der 23-Jährige stand zur Tatzeit noch unter Bewährung. Der Hartz-IV-Empfänger hat sich bereiterklärt, für drei Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.700 Euro zu zahlen.

Die drei ebenfalls vorbestraften anderen Angeklagten hatten die Aussage verweigert. Im Dezember 2007 waren alle vier auf freien Fuß gesetzt worden. Bei drei von ihnen hatte sich kein hinreichender Tatverdacht mehr ergeben, der Haftbefehl gegen Christian W. wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Die Polizei war nach dem Überfall von acht rechtsextremistischen Schlägern ausgegangen, von denen sie vier nicht ausfindig machen konnte. 14 Schauspieler, Tänzer und Statisten des Nordharzer Städtebundtheaters, die am Abend zuvor die Premiere der "Rocky Horror Show" im Bergtheater Thale gefeiert hatten, waren am frühen Morgen des 9. Juni 2007 auf der Straße in Halberstadt tätlich angegriffen worden. Auslöser soll die Punkfrisur eines Darstellers gewesen sein. Fünf Verletzte mussten im Krankenhaus behandelt werden. Ein Statist hatte einen Nasenbeinbruch erlitten.

"Auf Kommissar Zufall verlassen"

Der Intendant des Städtebundtheaters, André Bücker, kritisierte am Mittwoch die Staatsanwaltschaft. Es sei eine Katastrophe, wenn man Anklage erhebe und erst im Laufe des Prozesses feststelle, dass man überhaupt keine Beweise habe, sagte Bücker im Deutschlandradio Kultur. "Die ganze Anklage hat sich nur auf Kommissar Zufall verlassen." Die Staatsanwaltschaft habe wohl gehofft, die Zeugen würden die Täter wiedererkennen. Da die Tat sehr schnell verlaufen sei, könnten sie dies aber nicht. "Und jetzt steht man mit leeren Händen da", sagte Bücker, der selbst als Zeuge im Prozess ausgesagt hatte.

Über die Folgen des Überfalls sagte der Intendant: "Es haben immer noch Kollegen Angst und fühlen sich bedroht. Manche haben sogar ihren Arbeitsplatz gekündigt." Bücker meinte: "Es ist eine äußerst deprimierende Geschichte, dass die Opfer das Gefühl haben müssen, dass ihnen selbst die Schuld gegeben wird. Eine unerträgliche Situation."

Ein interner Bericht wirft der Polizei Versäumnisse bei den Ermittlungen vor. Vor Gericht machten vier Beamte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, zwei weitere meldeten sich krank.

(ap)
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