Duisburg Wilhelm Lehmbruck in neuem Licht

Duisburg · Die "Kniende" steht gewissermaßen als Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in der neu-eröffneten Metropolitan Opera in New York. Und im neu-gestalteten Duisburger Museum haben die Werke von Wilhelm Lehmbruck jetzt andere Nachbarn bekommen.

Wilhelm Lehmbruck ist ein großes Thema in der Kunstwelt: Immer wieder bieten sich neue zeit- und kunsthistorische Zusammenhänge an und werden in Material und Technik neue Gewichtungen diskutiert. Inhaltlich zu klären ist heute immer noch das weitgehend unerforschte Frühwerk, die Kontakte Lehmbrucks zu seinen Künstlerkollegen, die Beteiligung an Ausstellungen und den Ereignissen in Paris, die Rolle des "Seelenreiches" im Symbolismus und bei den englischen Präraffaeliten. Die Materialien bleiben von größter Bedeutung und nach heutiger Kenntnis hat Lehmbrucks die Ausführung in Bronze favorisiert, weniger den Steinguss, auch wenn in dieser billigeren Technik die meisten Werke überliefert sind. Die Neueinrichtung des gesamten Museums und so auch des Lehmbruck Traktes durch den neuen Direktor Raimund Stecker und sein Team trägt dieser Neupositionierung und Aktualisierung Lehmbrucks Rechnung, wobei der Gewinn bisher "verlorenen" Raumes (zuvor reserviert für Veranstaltungen und Ausstellungen) eine Einbeziehung und verstärkte Rundumansicht weiterer Werke Lehmbrucks ermöglichte, z.B. für das Frühwerk "Mutter und Kind", nun im Dialog mit Werken von Kollwitz und Macke, für die auf den ursprünglichen Glas-Tischen präsentierten lebensgroßen Köpfe Lehmbrucks mit Brancusis "Blonder Negerin" und der weiß patinierten Bronze "Frau im Spitzenhemd" von George Segal.

Der größte Gewinn fällt dem "Gestürzten" und der "Kreuzigung" Lehmbrucks zu, den neuen Nachbarn von Duane Hansons Vietnam-Kriegern. In der ergänzenden Hängung der beiden arkadischen Gemälde von Kirchner und Pechstein ist nunmehr mit der Todesthematik überdeutlich der endgültige Verlust des hier gemalten irdischen Paradieses nachvollziehbar. Der unmittelbare Dialog der Statuen Lehmbrucks mit der Kunst der Avantgarde (von Derain, Nauen, Marc und Mataré bis Giacometti und Max Ernst) und mit der zeitkritischen Provokation eines Olav Metzel oder A.R. Penck führt in der Wahrnehmung zu neuen Beobachtungen und Fragen, eine den gesamten Rundgang fördernde Spannung, weg von Routine, Vorurteil und gängiger Lehre. So kann der im Gesamtwerk Lehmbrucks beobachtete "Zwiespalt des modernen Menschen" (August Hoff, 1936) von uns allen "in neuem Licht" verstanden werden.

Der Autor dieser Serie, Dr. Gottlieb Leinz, ist stellvertretender Direktor des Wilhelm-Lehmbruck-Museums. Er stellt in diesen Wochen das vom neuen Direktor Prof. Dr. Raimund Stecker umgestaltete Duisburger Museum vor.

(RP)
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