Krahestraße Täter will nicht in Haft

Düsseldorf · Zwei Ärzte diagnostizieren: Heinz N. ist zu krank fürs Gefängnis. Der Staatsanwalt hat das Gesuch um Strafaufschub abgelehnt. Zwölf Jahre nach der verheerenden Hausexplosion mit sechs Toten und zwei Schwerverletzten findet die Sache immer noch keinen Abschluss.

Krahestraße: Chronik des Prozesses gegen Heinz N.
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Foto: RP/Probst

Ein endgültiger Abschluss des Krahestraße-Verfahrens ist nicht in Sicht. Nach RP-Informationen setzt der wegen sechsfachen Mordes und zweifachen Mordversuchs verurteilte Heinz N. alles daran, den Haftantritt noch weiter hinauszuzögern. Sein Anwalt legte ein Gesuch auf Strafaufschub vor. Der 49-Jährige sei, so die Meinung eines Internisten und eines Therapeuten, zu krank fürs Gefängnis. Wegen psychischer Probleme sei N. nicht fähig, ins Gefängnis zu gehen. Staatsanwalt Christoph Kumpa hat dieses Gesuch abgewiesen.

Heinz N. kann jetzt noch eine gerichtliche Entscheidung des Landgerichts Duisburg beantragen. Scheitert er auch dort, kann er noch das Oberlandesgericht Düsseldorf anrufen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleibt er auf freiem Fuß. Bis Dienstag soll sich Heinz N. in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hagen melden, um den Rest seiner lebenslangen Strafe abzusitzen. Das sind mindestens zweieinhalb Jahre.

Explosion herbeigeführt

Mit Erleichterung hatten die Familien der Opfer und auch die Überlebenden der Gasexplosion von 1997 reagiert, als der Bundesgerichtshof Anfang 2009 die Revision von Hausbesitzer Heinz N. gegen eine lebenslange Haftstrafe wegen sechsfachen Mordes und zweifachen Mordversuchs zurückgewiesen hatte. Die Richter sahen es wie ihre Kollegen am Landgericht Duisburg als erwiesen an, dass der heute 49-Jährige mit einem Mittäter die Explosion in seinem Wohnhaus an der Krahestraße vorsätzlich herbeigeführt hat.

Wenige Tage nach der Tat im Juli vor zwölf Jahren waren Heinz N., sein Mittäter und dessen Freundin festgenommen worden. Vor Gericht schwiegen beide Männer, die Freundin aber beschuldigte beide Mit-Angeklagte als Täter. Beide Männer wurden zu lebenslanger Haft verurteilt.

Aber nur der Kumpan von N. sitzt seitdem seine Strafe ab. Denn im Düsseldorfer Urteil gegen N. entdeckte der Bundesgerichtshof (BGH) einen Formfehler und ordnete einen Neu-Prozess vor anderen Richtern an. Dort kam N. viel milder davon: Da ihm eine Tötungsabsicht nicht nachzuweisen sei, verhängten die Richter gegen ihn lediglich eine Haftstrafe von 13 4Jahren und sechs Monaten. Doch auch dieses Urteil hob der BGH auf, beauftragte diesmal das Landgericht Duisburg mit dem dritten Prozess. Dort wurde N. im März 2008 zu lebenslanger Haft verurteilt, und eine "besondere Schwere der Schuld" wurde festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Hausbesitzer aber schon seit mehr als zwei Jahren auf freiem Fuß — und er ist es bis heute.

Ende 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass N. wegen überlanger Verfahrensdauer (ohne rechtskräftiges Urteil) nicht länger in Untersuchungshaft sitzen dürfe. N. kam frei, zog nach Rommerskirchen, fand einen Job in der Staubsauger-Branche und erschien pünktlich zu allen weiteren Gerichtsterminen. Mehr noch: Die lange Verfahrensdauer wurde ihm sogar mildernd angerechnet. Neben den achteinhalb Jahren, die er in U-Haft gesessen hatte, wurden ihm im Urteil der Duisburger Richter weitere vier Jahre als bereits verbüßt angerechnet.

Zweiter Fall?

Sollte N. mit seinem Antrag auf Haftaufschub durchkommen, wäre es das zweite Mal in der Düsseldorfer Justizgeschichte, dass ein Mordangeklagter durch eine psychische Erkrankung einer Haftstrafe entgeht. Ein Architekt stand in den 90er Jahren unter dem Verdacht, den 71-jährigen Kö-Millionär Otto-Erich Simon ermordet zu haben, um in den Besitz von dessen Kö-Grundstücken zu kommen.

Ihm wurde zwar der Prozess gemacht — doch zum Urteil kam es nie. Wegen massiver psychischer Probleme musste der Mordverdächtige freigelassen, das Verfahren gegen ihn Jahre später sogar eingestellt werden. Der Architekt lebt seither völlig unbehelligt.

(RP)
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