300 Millionen Tonnen Kohlendioxid NRW: Deutschlands größter Klimasünder

300 Millionen Tonnen Kohlendioxid · Mit einem Ausstoß von jährlich 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid ist Nordrhein-Westfalen für ein Drittel der bundesweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das Bündnis "Klima-Allianz" fordert eine radikale Kehrtwende in der Klimapolitik. Die FDP setzt auf Kernenergie.

 Millionen Tonnen Kohlendioxid stoßen die Kraftwerke in NRW aus.

Millionen Tonnen Kohlendioxid stoßen die Kraftwerke in NRW aus.

Foto: ddp

Walter Winkelius wohnt an der Düsseldorfer Straße 46 in Bergheim-Rheidt. Von seinem Wohnzimmerfenster blickt er auf das Braunkohle-Kraftwerk Niederaußem. "Heute haben wir gute Sicht auf die Blöcke", sagt der 68-Jährige. Ausnahmsweise herrscht kein Westwind. "Die meisten Tage im Jahr ist der Ort in dicke Rauchschwaden gehüllt. Dann leben wir im Gift-Nebel."

Im Jahr 2002 ist das Kraftwerk Niederaußem um die "BoA 1" erweitert worden. "BoA" steht für "Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik". Wenn es nach dem Betreiber RWE Power geht, sollen am Standort Niederaußem auf einem rund 40 Hektar großen Areal zwei weitere Blöcke, BoA 4 und BoA 5, entstehen. "Die Gesundheitsbelastung macht den Menschen Angst", sagt Winkelius. "Das Kraftwerk Niederaußem ist die größte Dreckschleuder in Europa."

Rund 27 Millionen Tonnen Kohlendioxid bläst das Kraftwerk jährlich in die Atmosphäre. Die vier Braunkohle-Großkraftwerke im Rheinland sind für ein Drittel aller kraftwerksbedingten Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland verantwortlich. "Sie sind ein Symbol für die verfehlte Energiepolitik in Deutschland", sagt Paul Körfges, Landesvorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. "In NRW sind elf neue Kohlekraftwerke geplant. Alle Bekenntnisse zum Klimaschutz werden dadurch zur Makulatur. NRW ist das Klimakiller-Bundesland Nummer 1 in Deutschland."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent reduzieren. NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) bekräftigte gestern, NRW werde bis zum Jahr 2020 rund 30 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich einsparen. Sie fordert die Betreiber auf, alte und ineffiziente Anlagen durch Kraftwerke mit einem deutlich höheren Wirkungsgrad zu ersetzen. "Unverbindliches Gerede", kommentiert Reiner Priggen, Fraktionsvize der Grünen im Düsseldorfer Landtag. "Sie muss auch sagen, wie das gehen soll."

Christian Lindner, Generalsekretär der NRW-FDP, stellt die Position der Liberalen klar. "Aus Gründen des Klimaschutzes, der Energiesicherheit und der Wirtschaftlichkeit geht kein Weg an der weiteren Nutzung der Kernenergie vorbei", sagt der FDP-Politiker. "Wenn wir den Grünen folgen würden, müssten wir dagegen die sichere und saubere Kernenergie aus Deutschland ab 2020 durch schmutzigen Atomstrom aus Osteuropa oder die Verbrennung fossiler Energieträger ersetzen. Erneuerbare Energien stünden bis mindestens Mitte des Jahrhunderts nicht in hinreichendem Umfang zur Verfügung.

Lindner regt eine Beteiligung deutscher Forscher an der Entwicklung von Kernreaktoren der vierten Generation an. "Diese ab 2040 zur Verfügung stehenden Hochtemperatur-Reaktoren wären sicherer, effizienter und entsorgungsärmer als die heutige Kerntechnologie. Da sie Nuklearabfälle verbrennen, könnte zudem das Problem der Endlagerung entschärft werden", so Lindner.

Bislang ist Deutschland dem Forschungskonsortium aus USA, Frankreich, Japan oder Großbritannien nicht beigetreten. "Deutsche Wissenschaftler können sich mit ihrem hervorragenden Wissen deshalb nur über Umwege beteiligen. Das ist für den Technologie- und Energiestandort Deutschland töricht." Reaktoren der vierten Generation, die ab 2040 zum Einsatz kommen könnten, zerlegen Wasser auf thermischem Wege in Wasserstoff und Sauerstoff.

Ein Bündnis von Umweltschützern, Kirchenvertretern und Eine-Welt-Gruppen ruft für den 8. Dezember zu einer Demonstration gegen die Klimapolitik der Landesregierung auf.

Klaus Breyer, der Umweltbeauftragte der evangelischen Kirche in Westfalen, ist sich sicher: "Die Zeit für eine radikale Umkehr bei den Treibhausgasen ist jetzt gekommen. Wir fordern ein Moratorium beim Bau neuer Kohlekraftwerke."

(RP)
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