Viersen/Mönchengladbach Fall Luca: Mutter ignorierte Gewalt

Viersen/Mönchengladbach · Martin S. soll im Oktober in Viersen den fünf Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin Amanda Z. totgeschlagen haben. Seit gestern muss er sich vor Gericht verantworten. Auch Lucas Mutter ist angeklagt. Sie sah keine Gefahr für ihr Kind.

Von seinem "Erzeuger" erzählte Martin S. gestern im Landgericht Mönchengladbach. Er sprach über seine abgebrochene Dachdeckerlehre, seinen letzten Job als Lagerarbeiter in einem Getränkehandel, seine Sprachprobleme in der Kindheit und späteren Drogenkonsum - doch über Luca sprach der 27-jährige Viersener nicht. Martin S. soll den fünf Jahre alten Jungen am 23. Oktober vergangenen Jahres kräftig und brutal gegen den Kopf und in den Bauch geschlagen, ihn außerdem gewürgt haben. Luca war so schwer verletzt, dass er an inneren Verletzungen, darunter eine Hirnblutung, starb. Anders als sein Stiefvater äußerte sich seine Mutter Amanda Z. gestern am ersten Prozesstag der Hauptverhandlung zur Sache. "Ich muss ganz ehrlich sagen, ich möchte gerne viel verdrängen", sagte sie und ergänzte weinend, "ich weiß gar nicht mehr, was alles passiert ist." Sie erinnere sich, dass sie am Abend mit Luca auf der Couch gekuschelt habe. "Dann kommen schon die Löcher."

Amanda Z. muss sich wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen vor Gericht verantworten, Martin S. ist wegen Totschlags und Körperverletzung in zwei Fällen angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, er habe Luca am 5. Januar 2016 ins Gesicht geschlagen, so dass der Junge eine Hautunterblutung erlitt. Drei Monate später soll er ihm mit einem Feuerzeug am Rücken die Haut verbrannt haben. Mitarbeitern der Kindertagesstätte, die Luca besuchte, waren die Verletzungen aufgefallen. Das Jugendamt wurde informiert, das Familiengericht entschied, Martin S. dürfe keinen Kontakt mehr zu dem Kind haben. Doch dessen Mutter hielt sich nicht daran. "Weil ich keine Gefahr gesehen habe", sagte sie gestern vor Gericht. Den Kita-Mitarbeiterinnen habe sie nicht geglaubt. Die 24-Jährige reagierte immer wieder vage auf die Fragen des Richters, blockte ab, antwortete "Ich weiß es nicht mehr", "Keine Ahnung". "Luca hat nie gesagt, dass Martin ihm weh getan hat", betonte sie. Nach dem Vorfall im Januar habe der Junge ihr erklärt, er sei über einen Hund gefallen. "Es war schon ein bisschen komisch, dass das ganze Gesicht blau war", räumte Amanda Z. ein. Woher Luca im April die Brandwunde hatte, dazu habe er ihr nichts gesagt.

Den Angeklagten Martin S. beschrieb sie als eifersüchtig und "sehr schnell zickig", in ihrem Beisein habe er Luca aber nie wehgetan. Er habe ihr geraten, "ich sollte strenger zu Luca sein". In den letzten vier Wochen vor dem Tod ihres Sohnes fiel ihr auf, dass der Junge nicht mehr gerne nach Hause wollte, lieber bei Verwandten war. Der Richter sprach Amanda Z. auf eine Situation an, die sie den Ermittlern geschildert hatte: Martin S. habe mit Luca gebadet und sei dabei körperlich erregt gewesen. "Ein bisschen komisch" habe sie das gefunden, sagte sie. "Ich habe Luca aus der Wanne rausgeholt."

Ob Martin S. auch am Abend vor Lucas Tod mit dem Jungen gebadet habe, wollte der Richter wissen. "Ich weiß es nicht mehr", sagte Amanda Z. "Ich weiß auf jeden Fall, dass ich Luca ins Bett gebracht habe", ergänzte sie. Auf der Couch sei sie eingeschlafen, am nächsten Morgen habe sie Martin S. gesagt, er solle nach dem Kind sehen. "Schatz, komm ganz schnell und bring dein Handy mit", habe Martin S. ihr aus Lucas Zimmer zugerufen. Sie sei sofort zu Luca gegangen, habe ihn im Bett liegen sehen "mit Schaum vorm Mund", seine Atmung überprüft. Martin S. habe eine Herzmassage begonnen. Die beiden hätten einen Rettungswagen gerufen, Luca "hat Spritzen bekommen, wurde an ein Gerät angeschlossen". Die Mutter sei im Rettungswagen mit ins Krankenhaus gefahren. "Irgendeine Ärztin oder Krankenschwester hat mir dann erzählt, dass Luca tot sei." Wie genau es dazu kam, soll jetzt die Verhandlung klären. Sieben Prozesstage sind angesetzt.

(RP)
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