Nachhaltiges Reisen Was Öko-Labels im Tourismus bedeuten

Berlin · Nachhaltigkeit ist ein Trendthema, auch im Tourismus. In den vergangenen Jahren haben sich mehr als 150 internationale Öko-Labels etabliert. Worin unterscheiden sie sich? Und welches ist das beste Zertifikat?

Wunderschöne Öko-Hotels
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Foto: Nomad Tanzania

Tourismus lebt zum großen Teil vom Naturerlebnis. Gleichzeitig schädigt der Urlauber mit seinen Reisen nicht selten die Umwelt - ein Dilemma, das vielen lange nicht klar war. "Ein Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit im Tourismus ist erst entstanden, als mehr Menschen reisten und erste Schäden zu sehen waren", sagt Petra Thomas, Geschäftsführerin im Forum Anders Reisen, einem Zusammenschluss von nachhaltigen Reiseunternehmen.

So entstanden die ersten Öko-Labels, etwa 1987 die Blaue Flagge für Küstenzonen in Europa oder 1998 die Blaue Schwalbe für umwelt- und sozialverträgliche Unterkünfte in Deutschland. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Öko-Labels stark gestiegen. "Weltweit existieren etwa 150 bis 180 Labels für einen nachhaltigen Tourismus", erklärt Martin Balas von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE). Es ist also heute wie im Supermarkt: Zig Siegel und Zertifikate buhlen um die Gunst des Verbrauchers. Nur welchem Label ist zu trauen? Womit wird die Umwelt tatsächlich geschützt?

Das ist nicht immer leicht zu sagen. Es gibt zumindest wichtige Kriterien: Liegt eine Nachhaltigkeitsstrategie vor? Werden Besucher gezählt und das kulturelle Erbe geschützt? Wie steht es um ökologische Faktoren wie Wasserverbrauch, Recycling, Licht- und Lärmschutz? Große Unterschiede gibt es bei der Überprüfung dieser Kriterien. Einige Labels prüfen vom Schreibtisch aus, andere senden externe Gutachter in die Betriebe. "Die Kriterien sollten transparent - also öffentlich - dargestellt werden", findet Balas. Doch einige Öko-Labels veröffentlichen ihre Bewertungskataloge nicht.

Ein wichtiger Orientierungspunkt für Urlauber ist die Frage: Wurde das Label durch den GSTC anerkannt? Der Rat ist heute der größte internationale Interessenverbund für nachhaltigen Tourismus. Er wird finanziell unter anderem von Tui unterstützt, arbeitet nach eigener Aussage aber unabhängig. Die Organisation prüft, wer hinter einem Label steht, was der Kriterienkatalog verlangt, wie zuverlässig das Prüfverfahren ist, welchen Nachhaltigkeitsschwerpunkt ein Label hat und welche Betriebe und Angebote zertifiziert sind. Bisher sind 26 Öko-Labels vom GSTC anerkannt.

Diese Labels gibt es für Öko-Hotels
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Diese Labels gibt es für Öko-Hotels

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Foto: dpa, pla

"Die Frage nach dem besten Öko-Label kann pauschal nicht beantwortet werden. Aus der Vielfalt des Tourismus hat sich die Vielfalt der Öko-Labels entwickelt", erklärt Herbert Hamele, Gründungsmitglied des GSTC. Es gibt regionale, nationale und internationale Zertifikate sowie Labels, die entweder Hotels, Campingplätze, Reiseveranstalter und sogar Autowaschanlagen auszeichnen - oder all dies. Auch in den Nachhaltigkeitsschwerpunkten unterscheiden sich die Labels. Einige konzentrieren sich auf ökologische Kriterien, wie das weltweit eingesetzte Siegel GreenKey der Foundation of Environmental Education (FEE), das bereits 2400 Betriebe ausgezeichnet hat.

Andere Labels decken alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, also auch soziale und wirtschaftliche Komponenten ab. Dazu zählt TourCert, das etwa von Tourism Watch und der HNE Eberswalde für Reiseveranstalter, Reisebüros und Unterkünfte entwickelt wurde. Diese wiederum werben damit prominent auf ihren Reiseangeboten. Auch Green Globe zeichnet auf ähnliche Weise Hotels, Resorts, Reiseunternehmen, Autovermietungen und Kongresszentren aus. Es wurde bereits mehr als 540 Mal vergeben.

In Deutschland decke das Label Viabono - ein Initiative des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes - ein breites Spektrum wichtiger Kriterien ab, sagt Hamele. Das Label Bio Hotels dagegen konzentriere sich auf rein ökologische Aspekte und sei in diesem Segment sehr anspruchsvoll. Der Experte empfiehlt beide Siegel für Urlaub in Deutschland. Einen guten Durchblick durch das Dickicht der Öko-Labels gibt der "Wegweiser durch den Labeldschungel".

Um mehr Transparenz zu schaffen, gab es vor sechs Jahren Bemühungen um ein einheitliches Zertifikat. Das Siegel des Tourism Sustainability Councils (TSC) sollte Nachhaltigkeitskriterien für alle touristischen Angebote der Welt enthalten und nachhaltiges Reisen vereinfachen. Das Vorhaben scheiterte. Denn ein Campingplatz in Österreich zum Beispiel hat ganz andere Grundvoraussetzungen als eine Eco-Lodge im Dschungel von Borneo. Gibt es auch schwarze Schafe unter den Öko-Labels? Herbert Hamele beschäftigt sich seit 1987 mit nachhaltigem Tourismus. "In dieser Zeit ist mir kein Greenwashing untergekommen." Bisher werde nachhaltiger Tourismus auf freiwilliger Basis über gesetzliche Vorgaben hinaus entwickelt. Greenwashing entsteht nur dann, wenn ein Hotel oder eine Region absichtlich falsche Angaben machen.

Bleibt die Frage: Schaut der Urlauber überhaupt auf die Labels? "Für den Reisenden ist das erst im zweiten oder dritten Schritt entscheidend, wenn Reiseziel und Preis den Vorstellungen entsprechen und Angebote untereinander verglichen werden", sagt Petra Thomas. Die Vermutung, dass nachhaltiges Reisen allgemein teurer ist, hält Thomas für ein Vorurteil, das dem Überangebot an Reiseschnäppchen geschuldet sei. Durch nachhaltiges Reisen entstehen viele Einsparungen, die an den Reisenden weitergegeben werden, lautet ihr Argument.

Der Markt für Öko-Labels dürfte sich in Zukunft stark entwickeln. Martin Balas verweist etwa auf das Klimaabkommen von Paris und den Konsumententrend nach verantwortungsvollen und nachhaltigen Produkten. "Diese Entwicklungen erzeugen positive Dynamiken in Richtung eines nachhaltigen Tourismus", glaubt der Forscher.

(dpa/ham)
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