Über den Berg und in die Wälder Urlaub unter der Mitternachtssonne in Finnisch-Lappland

Muonio (rpo). Im Land, wo die Sonne niemals untergeht. Wer das erleben möchte, sollte nach Finnisch-Lappland reisen und den Mittsommer genießen. Jenseits des Polarkreises warten Ruhe und Natur auf Genießer.

Der Zeiger der Uhr geht auf ein Uhr nachts und die Sonne steht immer noch eine Hand breit über den Wipfeln der Kiefern am Muonio-Fluss. Es ist Mittsommer in Finnisch-Lappland und zu dieser Jahreszeit nehmen die Tage kein Ende. Wer es darauf anlegt, beobachtet die Mitternachtssonne und berichtet am anderen Morgen stolz den Mitreisenden, dass sie tatsächlich nicht untergegangen ist. So ist das im Sommer in Muonio, 230 Kilometer nördlich des Polarkreises.

Wir sitzen abends am Flussufer, genießen die Ruhe und diskutieren die Ereignisse des Tages: Wandern, Radfahren und Kanutouren. Was die Welt bewegt, ist weit weg. Die nächsten größeren Orte sind 30 und mehr Kilometer entfernt. Bis zum 3000-Seelen-Dörfchen Muonio - im Touristen-Jargon "Downtown Muonio" genannt - braucht man mit dem Fahrrad rund zehn Minuten. Dort gibt es Supermarkt, Bank, Post, Apotheke und sogar eine Kneipe - alles was man braucht.

"Wer nach Lappland kommt, ist in der Regel ein Wiederholungstäter", sagt Milla Avatalo, die im Ferienzentrum Harriniva für das Aktivprogramm zuständig ist. "Er hat in Skandinavien schon fast alles gesehen und will sich nun die letzte Wildnis Europas gönnen." Und tatsächlich: Beim Blick auf die Landkarte scheint es, dass die Zivilisation hinter Rovaniemi aufhört. "Kulturtouristen sind hier fehl am Platze", meint Milla. Zu besichtigen gibt hier kaum etwas außer Bäumen, stillen Wasserflächen und weißen Wolken am strahlend blauen Himmel. Wer im Sommer nach Finnisch-Lappland kommt, der sucht das Wildniserlebnis in unberührter Natur.

Dennoch muss niemand auf gewohnten Komfort verzichten. Ferienzentren wie Harriniva bieten gemütliche Hotelzimmer, einfache Hütten und einen Campingplatz, Sauna, Fahrräder und Kanus auch für individuelle Ausflüge. Und natürlich ein Aktivprogramm per pedes, per Rad und per Kanu. Es geht auf Tunturis (baumlose Hügel) und zu versteckten Järvis (Seen), über Sandwege und Waldpfade, durch Wälder, in denen es neben im Sommer frei herumstreunenden Rentieren auch noch Wölfe und Bären geben soll.

Der erste Nationalpark des Landes

Gut eine halbe Stunde Fahrtzeit mit dem Bus von Harriniva entfernt liegt der Eingang zum Nationalpark Pallas-Ounastunturi. Mit einer Fläche von mehr als 500 Quadratkilometern ist er der drittgrößte in Finnland und war 1938 der erste Nationalpark des Landes. Die rundkuppigen Tunturis verdanken ihre abgeschliffenen Gipfel der Eiszeit, die vor rund 9000 Jahren die Landschaft schuf, die wir noch heute erleben. Über gut zwölf Kilometer führt uns Milla durch dichte Wälder, über kahle Felsen und über Knüppeldämme durch Sümpfe bis zum versteckt liegenden See Vuontosjärvi. In einer zweistöckigen Holzhütte mit Gemeinschaftsschlafräumen verbringen Harriniva-Gäste hier eine oder zwei Nächte. Zum Komfort in der Wildnis gehört eine Sauna und natürlich ein erfrischendes Bad im See, der auch im Hochsommer nur selten mehr als 15 Grad Wassertemperatur erreicht. Milla und ihr Kollege Aarto zaubern gegrillten Lachs, wie ihn noch niemand von uns so köstlich gegessen hat.

Der Muonio-Fluss - der in seinem Verlauf gleich dreimal den Namen wechselt - ist mit 540 Kilometern Länge einer der längsten Flüsse Skandinaviens und bildet die Grenze zwischen Finnland und Schweden. "Er ist der längste unverbaute Fluss in ganz Europa", weiß Milla, "nirgendwo am Muonio gibt es Industrie oder größere Städte." Mit Kanus paddelt die Hälfte unserer Gruppe rund 13 Kilometer flussaufwärts gegen die nur schwache Strömung. Die andere Hälfte nutzt das traditionelle Kirchboot.

Grausige Geschichten

Mit diesem hölzernen Kahn für bis zu zwölf Ruderer kamen früher abseits lebende Familien zur Kirche in Muonio. Unser Ziel ist der alte Friedhof von Akamella auf der schwedischen Seite des Flusses, über den grausige Geschichten im Umlauf sind. Als die Leute von Muonio 1663 den Friedhof anlegten, hatten sie nicht bedacht, dass man die Toten vor allem im Winter bei gefrorenem Boden nicht tief genug begraben konnten. Raubtiere hätten die Leichen wieder ausgegraben und so dazu beigetragen, dass die Seelen nicht zur Ruhe kamen. Dennoch wurde der Friedhof bis 1932 genutzt - heute erinnert nur noch ein Obelisk daran.

Obwohl in den Wäldern Elche, Rentiere und sogar Wölfe und Bären zu Hause sein sollen - die blutdürstigsten Raubtiere im lappländischen Sommer sind die Mücken. Aber auch das hat seinen Sinn, meint Milla. "Wir müssen unsere Natur schützen und dafür brauchen wir die Mücken", meint sie schmunzelnd. Wenn es keine Mücken gäbe würden noch mehr Touristen kommen. So kommen nur die, die wissen, was sie hier erwartet.

(afp)
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