Schlaganfall — die dritthäufigste Todesursache Der Tsunami im Gehirn

Düsseldorf · Mit einem Schlag aus dem Leben gerissen: Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Beinahe 270.000 Menschen sterben jedes Jahr daran, Tendenz steigend. Über 70 Prozent dieser Hirninfarkte wären allerdings vermeidbar.

Die größten Irrtümer über den Schlaganfall
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Foto: AP

Plötzliche Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen in einer Körperhälfte, Sprach- oder Sehstörungen können die Anzeichen eines Schlaganfalls sein. In 80 Prozent der Fälle sind es Gerinnsel im Blutkreislauf, die dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgt werden kann.

Grund: Die Gerinnsel verstopfen die Blutgefäße und es kommt zum Hirninfarkt oder sie platzen dort plötzlich und lösen eine Hirnblutung aus. Dadurch entsteht ein plötzlicher Sauerstoffmangel, die das Hirn stark beeinträchtigt, oft dauerhaft schädigt und sich so auch andersartig körperlich bemerkbar macht.

Keine Krankheit der Alten

Hirninfarkte, wie sie medizinisch auch genannt werden, sind nicht nur dritthäufigste Todesursache, sondern auch der häufigste Grund für Behinderungen im Erwachsenenalter. In erster Linie betrifft die Erkrankung zwar ältere Menschen — doch Mediziner warnen davor, sich als junger Mensch in Sicherheit zu wiegen, denn 9000 bis 14.000 Männer und Frauen unter 50 Jahren sind nach Angaben der Krankenkasse AOK betroffen. Sogar Kinder kann der Schlag treffen: 300 in jedem Jahr. 75.000 Menschen versterben innerhalb des ersten Monats. Die meisten Überlebenden behalten für immer neurologische Störungen, mit denen sie leben müssen.

"Bis zu 70 Prozent dieser Schlaganfälle wären vermeidbar", sagt Prof. Dr. Karl Einhäupl, Stiftungsratsvorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Besonders hoch ist das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden für Menschen mit Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Arterienverkalkung, Diabetes oder Bluthochdruck. Aber auch Migräneattacken gelten als Zusatzgefahr. "Rund 20 Prozent der jüngeren Patienten haben erhöhte Blutfettwerte", sagt Dr. Hans-Christian Koennecke, der als Neurologe im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth in Berlin arbeitet.

Aus der täglichen Erfahrung in dem Lehrkrankenhaus der Charitè weiß er, dass bei den unter 50-Jährigen in der Hälfte der Fälle der Schlaganfall durch eine Blutung ausgelöst wird. Das ist bei älteren Patienten nicht so. Eher ist es ein Blutgerinnsel, das mit dem Blutstrom ins Gehirn verschleppt wird und dort zur Katastrophe führt. In 80 Prozent der Fälle ist das so.

Neue diagnostische Möglichkeiten

Besonders gefährlich wird es, wenn eine Hirnblutung an der Basis des Gehirns auftritt. Das Blut, das sich dort auf der Gehirnoberfläche verteilt, zersetzt sich innerhalb weniger Tage und kann einen ischämischen Schlaganfall auslösen, der nicht selten tödlich endet.

Mit einem neuen diagnostischen Verfahren wollen Neurologen die Versorgung von Schlaganfall-Patienten in den sogenannten Stroke-Units weiter verbessern. In der Charité in Berlin werden dazu die Betroffenen über ein Frühwarnsystem erstmals in jeder Phase der Erkrankung am Monitor überwacht

Denn vier von zehn Patienten sterben an den Folgen einer besonderen Form der Hirnblutung, der Subarachnoidalblutung. Selbst wenn es den Medizinern in solchen Fällen gelingt, die Gefahr einer weiteren Blutung operativ zu stoppen, bleiben Blutreste im Gehirn zurück, die sich innerhalb von etwa sieben Tagen dort zersetzen. Das tun sie allerdings nicht, ohne Rückstände zu hinterlassen: toxische Abbauprodukte, die ihrerseits wieder zu einem ischämischen Schlaganfall führen können, der Hirngewebe zerstört.

Das führt zum Tsunami im Hirn

"Durch die toxischen Blutabbauprodukte wird eine Welle von Nervenzellentladungen ausgelöst, die wie ein "Tsunami" durch die Hirnrinde fegt", erläutert Neurowissenschaftler und Projektleiter Prof. Dr. Jens P. Dreier. Die Folgen sind massiv: Im Gehirn steigt der Energiebedarf stark an, also kompensiert der Körper das durch einen stärkeren Blutfluss.

Da aber die toxischen Blutabbauprodukte die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Blutgefäßen stören, verengen sich die kleinen Hirnblutgefäße extrem. Die entstehende Mangeldurchblutung wandert in der Hirnrinde und breitet sich dort aus. Am Ende sind die Nervenzellen zerstört.

Mit dem neuen Monitoring kann man rechtzeitig erkennen, ob sich ein solcher Vorfall anbahnt und dementsprechend therapeutisch gegensteuern. Vor allem junge Patienten profitieren von diesen Forschungsergebnissen, da sie am häufigsten von den ischämischen Schlaganfällen betroffen sind. Über zehn Jahre lang hat Prof. Dreier mit seinem Team im Tierversuch geforscht, um heute seine Ergebnisse in den verbesserten diagnostischen Möglichkeiten den Patienten zu Gute kommen zu lassen.

Das kann jeder für seine Gesundheit tun

Experten raten mit Blick auf die Möglichkeiten einer Prävention, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, auf ausreichend Bewegung, um dieser Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das ein ganzes Leben umkrempelt, vorzubeugen. Unter dem Motto "Sorge für dich" will der "Tag gegen den Schlaganfall" am 10. Mai Menschen jeden Alters für Prävention und Früherkennung sensibilisieren. Bundesweit finden rund 200 Veranstaltungen dazu statt.

(wat)
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