Zahlen und Fakten Die Folgen des Mindestlohns

Seit dem 1. Januar gilt in Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Doch welche Änderungen ergeben sich dadurch, und für welche Branchen und Personen gibt es Sonderregelungen?

Bereits seit 1996 existieren in vereinzelten Branchen Mindestlöhne, die von den jeweiligen Tarifpartnern ausgehandelt und beantragt wurden. So haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften im Baugewerbe bereits 2013 auf die Entwicklung eines Mindestlohns in ihrer Branche bis 2017 geeinigt. Die Höhe wird vom entsprechenden Tarifvertrag festgelegt und liegt aktuell für Arbeitnehmer im Westen bei 11,15 Euro.

Auch für Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich gibt es Mindestlöhne im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Sind die Mitarbeiter mit der Aus- und Weiterbildung, Vermittlung oder Betreuung von Teilnehmern betraut, gilt für sie im Geltungsbereich West ein Mindestlohn von 13,35 Euro. Allerdings verdienten laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jahre 2012 rund 5,2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland einen Bruttolohn von weniger als 8,50 Euro die Stunde. Hierzu zählten vorwiegend Arbeitnehmer mit einfachen Tätigkeiten, Minijobber und erwerbstätige Rentner, Schüler und Studenten, aber auch Vollzeit-Erwerbstätige.

Zum 1. Januar 2015 wurde in Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro für alle Arbeitnehmer eingeführt. Er gilt grundsätzlich für alle Branchen und Regionen. "Damit haben sich die Chancen deutlich verbessert, der großen Mehrheit der Beschäftigten ein existenzsicherndes Einkommen zu garantieren und den Niedriglohnsektor zurückzudrängen", sagt Reinhard Bispinck, Abteilungsleiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung und Mindestlohnexperte des WSI. "Das Jahr 2015 wird deshalb als Jahr des Mindestlohnes in die deutsche Sozialgeschichte eingehen", erwartet der Experte.

Allerdings sind für eine Übergangszeit bis Ende 2016 Ausnahmen für bestimmte Personen- und Beschäftigungsgruppen vorgesehen: Für laufende, branchenspezifische Mindestlöhne sind derzeit noch Bruttostundenverdienste unter der Mindestlohngrenze erlaubt, zum Beispiel im Friseurhandwerk, in der Land- und Forstwirtschaft oder bei Leih- und Zeitarbeitsunternehmen. In der Einführungsphase können sich die Tarifpartner auf einen allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag einigen, der unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, spätestens ab dem 1. Januar 2017 muss dieser jedoch mindestens 8,50 Euro betragen. In allen übrigen Bereichen ohne Branchenmindestlohn gilt jetzt der allgemeine Mindestlohn, zum Beispiel bei Bäckereien, im Einzelhandel oder in der Logistikbranche.

Sonderregelungen gibt es zudem für einzelne Personengruppen: Jugendliche unter 18 Jahren und Auszubildende haben keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Darüber hinaus gilt die Untergrenze nicht für Personen, die ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges, maximal drei Monate dauerndes Praktikum absolvieren, oder für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer neuen Tätigkeit.

Für Minijobber ergibt sich jetzt aus der 450-Euro-Grenze eine maximale monatliche Arbeitszeit von 52,9 Stunden. "Die Neuerung durch den Mindestlohn besteht darin, dass es zu seiner Einhaltung gerade auf die Anzahl der tatsächlich geleisteten Stunden ankommt", erklärt Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeiten von Minijobbern aufzeichnen und diese Dokumentation zwei Jahre lang aufbewahren. Allerdings besteht die Pflicht nicht für Tätigkeiten in Privathaushalten. "Bei Minijobs ist keine gesetzliche Stundengrenze vorgesehen. Es ist deshalb richtig, dass es diese konkrete Dokumentationspflicht gibt. Sie ist auch eine Hilfe für Arbeitgeber, die sich korrekt verhalten, denn sie können damit jederzeit nachweisen, dass sie sich gesetzeskonform verhalten haben", so Körzell weiter.

Allerdings haben einige Arbeitgeber schon Schlupflöcher entdeckt: In bestimmten Bereichen muss nur die Dauer der Arbeitszeit erfasst werden, nicht aber Beginn und Ende. Betroffen sind vor allem Arbeitnehmer mit mobilen Tätigkeiten, zum Beispiel in der Zustellung, der Personenbeförderung oder in der Stadtreinigung. Hier erscheint die Überprüfung schwierig.

Die Einhaltung des Mindestlohns kontrolliert - wie bereits in anderen Branchen - die Zollbehörde. Bei Nichteinhaltung drohen Geldbußen von bis zu 500 000 Euro. Verstöße gegen Verpflichtungen wie die Dokumentation der Arbeitszeit können mit einer Geldbuße von bis zu 30 000 Euro geahndet werden. "Bei vier Millionen Arbeitnehmern, für die der neue Mindestlohn greift, braucht es aber deutlich mehr Kontrolleure", fordert Körzell vom DGB. "Die Regierung hat zugesagt, dass sie weitere 1600 Kontrolleure einstellt und ausbildet. Das sollte schnell passieren."

(RP)
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