Das neue Power-Paket ZL1 Der wildeste Camaro aller Zeiten

Ein Muscle-Car lässt die Muskeln spielen: Weil ihnen der Ford Mustang als Shelby GT davon zu fahren drohte, haben die Chevrolet-Ingenieure auch den Camaro noch einmal getunt und für den ewigen Wettstreit der Ponycars zum ZL1 aufgerüstet.

2012: Der neue Chevrolet Camaro ZL1
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2012: Der neue Chevrolet Camaro ZL1

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Mit dem Kompressor aus der stärksten Corvette kommt sein 6,2 Liter großer V8-Motor nun auf 580 PS und macht den vorlauten Kraftmeier zum stärksten Camaro aller Zeiten — und zum emotionalsten.

Denn dieses Auto ist wie Rock'n'Roll auf Rädern: Es ist laut, wild und lebendig. Das nachgeschärfte Design mit dicken Backen und reichlich Karbon auf der muskulösen Haube ist eine Schau, der Sound ist brutal und der Antritt atemberaubend.

Wenn die 305er Schlappen auf der Hinterachse auf dem Asphalt genügend Halt finden, kennt der Camaro kein Halten mehr: Dann reißen maximal 754 Nm den Wagen in knapp vier Sekunden auf Tempo 100 und wer keine Angst vor dem Sherrif hat, kann dieses wilde Spiel bis 290 Sachen treiben — schneller war der Camaro ab Werk noch nie. Und lauter auch nicht: Denn wenn man nur lange genug mit dem Gaspedal spielt, entlockt man dem Orchester der acht Zylinder und vier Endrohre eine verlockende Mischung aus Grollen und Brüllen, Grummeln und Grölen, die jedes Radio überflüssig macht.

Wer den ZL1 auf öffentlichen Straßen ausfährt, der riskiert in Amerika wahrscheinlich eine lebenslängliche Haftstrafe oder zumindest eine Busfahrkarte für die Ewigkeit. Doch genau wie der erste ZL1 aus den späten Sechzigern ist dieser Camaro trotz der Straßenzulassung vor allem für die Rennstrecke und mehr noch für den Dragstrip gemacht. Die Viertelmeile ist sein Zuhause und jede lange Gerade hinter einer roten Ampel sein Revier.

Deshalb kann man das Setup des Kraftmeiers auf Knopfdruck verändern. Fahrwerk, Lenkung, Stabilitätssystem und Motorsteuerung lassen sich in fünf Stufen so variieren, dass man immer den perfekten Kavalierstart hinlegt. Außer um die Reifen muss man sich dabei um nichts sorgen, versprechen die Ingenieure: Das Hinterachsdifferential und die Kupplung sind so verstärkt, dass sie mindestens 1000 Raketenstarts aushalten.

Aber der Camaro ist nicht nur auf der Geraden schnell. Auch auf einer kurvigen Landstraße macht der ZL1 eine ganz ordentliche Figur. Weil er von der Corvette neben dem Kompressor auch das programmierbare Magnetic Ride Fahrwerk übernimmt, die Lenkung für ein US-Auto überraschend scharf und präzise ist und die Bremsscheiben groß sind die wie Familienpizzas von "Domino's", kämpft sich der Wagen wacker durch enge Kurven und beißt sich über steile Bergpässe.

Klar ist das Auto ein bisschen zu schwer geraten, weil jedes Kilo Aluminium oder Karbon den Camaro aus dem Preisrahmen für die Breitensportler getrieben hätte, so dass man in den Kurven schon etwas arbeiten muss. Und ganz so filigran, präzise und scharf wie die in der Leistung vergleichbaren Hightech-Sportwagen vom Schlage des Mercedes SLS oder des Audi R8 ist er auch nicht.

Anstelle von Präzision und Feingefühl setzt er schlicht auf seine imposante Durchschlagskraft. Daran muss man sich gewöhnen, aber damit kann man gut leben. Denn mit ruhiger Hand und schneller Elektronik macht der Ami seine Sache immerhin so gut, dass er die Nordschleife des Nürburgrings in 7:41:27 Sekunden umrundet und damit selbst dem neuen Porsche 911 gefährlich nahe kommt.

Zum Showdown wird es allerdings nicht kommen — zumindest nicht in Europa und auf offiziellem Weg. Denn weil Chevrolet schon den normalen Camaro nur als Kleinserie importiert und deshalb nicht mehr als 1000 Autos im Jahr verkaufen darf, bleibt der ZL1 den Amerikanern vorbehalten. Dort kostet er nur 54.995 Dollar und ist ein absolutes Schnäppchen. Wer ihn bei uns fahren will, muss zum freien Importeur und dann deutlich tief in die Tasche greifen: Rund 80.000 Euro werden dort fällig.

Spätestens bei diesem Preis mischt sich in all die benzintriefende Faszination irgendwann ein fahler Beigeschmack. Denn je näher man dem Camaro kommt, desto größer wird die Enttäuschung. Das ist beim ZL1 nicht anders als beim normalen Modell. Billige Kunststoffe, halbherzige Verarbeitung, lieblose Plastiklandschaften bestimmen das Bild im engen Innenraum.

Aber mal ehrlich: Wen interessiert das bei so einem Auto? Wenn der V8 aufbrüllt und das Gehirn beim Sprint gegen den Hinterkopf klatscht, schaut man nicht nach unregelmäßigen Nähten und fühlt nicht nach Hartplastik. Da krallt man sich ins Alcantra-Lenkrad, heftet den Blick an die Ideallinie und hat ein Lied von Bruce Springsteen auf den Lippen: "Born to run".

(sp-x/nbe/csi)
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