Ortsbesichtigung Helden im Sauerland

Es gibt ein Dorf, da hängen sich Menschen heimlich Ortsschilder in den Partykeller, und 800 Gäste besuchen ganz überraschend das Konzert einer Lokalband. Alle fühlen sich großartig dort. Willkommen in Helden!

Helden im Sauerland
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Es gibt ein Dorf, da hängen sich Menschen heimlich Ortsschilder in den Partykeller, und 800 Gäste besuchen ganz überraschend das Konzert einer Lokalband. Alle fühlen sich großartig dort. Willkommen in Helden!

Helden (RPO). Es ist nichts besonders an diesem Dorf: Eine gewöhnliche Ansammlung von weißen Häuschen, umgeben von kleinen Hügeln, im Winter ummantelt von Schnee und Nebel, im Sommer beschienen von kräftiger Sonne. Es geht alles seinen gewohnten Gang in diesem Ort, der 1147 Einwohner zählt, in dem der einzige Briefkasten kilometerweit montags bis freitags um 15 Uhr geleert wird, samstags um 9 und sonntags um 8. Die Pension am Eingang des Ortes heißt "Droege", der Supermarkt "Ihre Kette". An der Fassade des Einkaufslädchens der Briefkasten. Daneben ein Kaugummiautomat.Alles ganz gewöhnlich ­ und doch liegt ein besonderer Geist über diesem kleinen Örtchen. Es sind sechs Buchstaben, die Glanz und Gloria versprechen: Der Ort heißt Helden.

Die Bewohner von Helden könnten diesen Glanz auch im Namen transportieren. Sie könnten sich "Helden" nennen. Machen sie aber nicht. Sie nennen sich "Heldener". Was sie nicht daran hindert, all das, was in ihrem Dörfchen passiert, ganz und gar großartig zu finden. Sie schwärmen für die Schützenbruderschaft St. Sebastianus, für den Karneval, und sie schwärmen für die Sonnenalm, eine dufte Holzhütte mit Grill vor der Tür, die auf einem Hügel liegt, von dem es sich herrlich aufs Dorf blicken lässt und wo im Sommer die weltbesten Würste gebraten werden. Es lebt sich wunderbar in Helden.

Helden kommt von Halden

In der Mitte des Dorfes gibt es einen Gasthof. Der nennt sich so, wie wahrscheinlich 50 Prozent aller Gasthöfe in Deutschland heißen: "Zur Post". Da sitzen die Heldener oft und erzählen sich, was sie Neues wissen.

In diesem Gasthof sitzt auch Sebastian Pulte. Er ist einer der Helden von Helden. Sebastian spielt Fußball beim Ortsverein FSV Helden in der Kreisliga A. Der Verein belegt im Moment den ersten Tabellenplatz, und immer, wenn seine Mannschaft gegen den Nachbarort "Dünschede" spielt, brennt in Helden der Baum. Der Fußballer Pulte sagt: "Das ist wie wenn Schalke gegen Dortmund spielt, nur in kleiner." Meist gewinnen die mit dem schöneren Namen. Helden!

Sebastian ist auch im Vorstand des Schützenvereins. Er war sogar einmal Karnevalsprinz. Wichtiger aber noch: Sebastian Pulte (24) ist Teil einer wachsenden Spezies. Er ist jung ­ viele Heldener sind jung. Sebastian sagt: "Manche versuchen zu fliehen, sie ziehen in größere Städte. Doch nach und nach kommen alle wieder hier nach Helden zurück". Die Generation U30 fühlt sich offenbar wohl in einem Dorf, das ihnen wegen des schönen Namens ein klein wenig Ruhm und Ehre verspricht.

Es gebe so manchen Partykeller, erzählt Sebastian Pulte, in dem das Ortsschild von Helden hängt. In der Schule sei es früher gar manchmal vorgekommen, dass zur Weihnachtszeit, beim alljährlichen Wichteln, das Ortsschild in Geschenkpapier umhüllt übergeben wurde, berichtet Sebastians Schwester Christine.

Und noch eine schöne Geschichte gibt es, in der "Helden" eine Hauptrolle spielt. Einmal gaben Sebastian Pulte und seine Freunde eine große Party im Vereinsheim des FSV Helden. Sie nannten die Fete "Wir sind Helden" und kündigten auf dem Plakat auch Live-Musik an. Danach stand das halbe Sauerland auf der Matte. "Manche dachten wirklich, dass "Wir sind Helden" spielen würden", erzählt Sebastian. Stattdessen spielte die Lokalband Sushi. So gut allerdings, dass heute noch alle davon reden.

Josef Duwe war nicht da. Aber er hat vom Erfolg der Party gehört. Duwe ist 66 Jahre alt und er ist ­ ziemlich sicher­ ein weiterer Held von Helden. Das würde er zwar selber nie sagen. Aber wer sich im Dorf auf die Suche nach einer Person macht, die alles zum Ort sagen könnte, der bekommt von allen Bewohnern nur eine Antwort: "Frag' doch den Duwejupp." Die im Dorf wissen: Duwe weiß wirklich alles über Helden. Müsste einmal ein Tausend-Seiten-Wälzer über Helden verfasst werden, Josef Duwe könnte den Schinken in einer Woche mit geschlossenen Augen vollschreiben.

Der heimliche Held von Helden schaut in der Mittagszeit von der Sonnenalm auf das Dorf, das unten im Tal friedlich vor sich hin schlummert. Ein Frieden liegt über den Häusern ­ Zufriedenheit huscht über Duwes Gesicht. Er lenkt seinen Blick von der Kirche rüber auf das Neubaugebiet, das demnächst 65 neue Häuser nach Helden bringen soll. Duwe sagt: "Wir haben nichts gegen ein maßvolles Wachsen. Aber direkt 65 Häuser?"

Viele Menschen wollen wohnen, wo es heldenhaft zugeht. 1960 hatte das Dorf 660 Einwohner, jetzt sind es fast doppelt so viele. Immer mehr Häuser in Helden. Die Straßen des Ortes schlängeln sich zwischen den Häusern hindurch. Rund um Helden gibt es weite Felder, kräftige Wiesen, von denen eine 18 Löcher hat. Helden hat seit wenigen Jahren auch einen Golfplatz. Für dessen Entstehen hat sich Josef Duwe, damals war er noch Vorsitzender des Verkehrsvereins Helden, stark gemacht. "Es war ein langer Kampf, aber endlich steht er da."

Zur Weihnachtszeit werden Ortsschilder verschenkt

Der ganz große Held unter den schönen Dörfern war Helden bisher noch nie. Helden nennt sich auch das "Silberdorf", weil es bei dem Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" einmal den zweiten Platz auf NRW-Ebene erreichte. Zweimal Dritter, einmal Zweiter. Vielleicht ändert sich das nun mit dem neuen Golfplatz, der noch mehr Zukunft verspricht ­ also auch noch mehr Siegeschancen.

Josef Duwe träumt davon: "Der Wunsch, dass es irgendwann mal klappt, ist bei mir immer da". Eigentlich, so wirft Duwe ein, sei ja alles bereitet dafür, dass Helden einmal als Golddorf ausgezeichnet wird: "Neben ,Ihre Kette' haben wir ja noch die Volksbank und die Sparkasse, ein Nagelstudio und zwei Friseure. Dazu eine Pizzeria und eine Tankstelle. Eine intakte Infrastruktur."

Dann räumt Josef Duwe mit dem Mythos auf, dass "Helden" etwas Heroisches habe: "Helden kommt eigentlich von Halde. Unsere Kirche wurde auf eine Haldenerhöhung gebaut. Deshalb heißt der Ort vielleicht so." Nach einer anderen Variante, von der Duwe berichtet, geht der Name zurück auf ein Adelsgeschlecht. Es ist die erste der zwei Erklärungen, die besser zu diesem Örtchen passt. Weil Helden uns lehrt, dass Schönes manchmal auf Unschönem wächst, dass auch dort Helden geboren werden, wo eigentlich nur Gerümpel und Unrat vermutet werden: auf einer Halde.

(RP)
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