Alpiner Ski-Star kämpft gegen Depressionen Vonn fühlt sich "wie ein Zombie"

Los Angeles · Der harte Kampf gegen ihre Depressionen, die schwierigen letzten Wochen, der Schreckmoment im zweiten Training – vielleicht war das alles ein bisschen zu viel für Lindsey Vonn.

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Der harte Kampf gegen ihre Depressionen, die schwierigen letzten Wochen, der Schreckmoment im zweiten Training — vielleicht war das alles ein bisschen zu viel für Lindsey Vonn.

Als die "Speed Queen" bei der Weltcup-Abfahrt in Val d'Isere mit hohem Tempo ins "Karussell" schoss, unterlief der sonst nahezu Unfehlbaren ein kleines Missgeschick. Sie lehnte sich zu weit nach innen, stützte, überschlug sich. Zwei Fangzäune konnten ihren Fall nicht bremsen, erst der dritte, der letzte: Aus!

Vonn blieb zunächst regungslos liegen. Im Zielraum schaute ihre Schwester Laura bangen Blickes nach oben, mit ihr zitterten die Fans an den Bildschirmen. Viele hatten noch die Schlagzeilen vom Morgen im Kopf. Mit ihrer Depressions-Beichte im US-Magazin People hatte Vonn über die Grenzen ihres Sports hinaus für Diskussionen gesorgt. Vonn, die Strahlefrau, die Abfahrts-Olympiasiegerin, die viermalige Gewinnerin des Gesamtweltcups und vielleicht beste Skifahrerin der Geschichte, diese Siegerin kämpft seit Jahren mit Depressionen.

"Wie ein Zombie"

"Alles an meinem Leben erscheint allen anderen so perfekt, aber ich muss kämpfen wie jeder andere auch", sagte Vonn in dem Gespräch. Es habe 2008 eine Phase gegeben, in der sie nicht mehr aus dem Bett kam: "Ich fühlte mich hoffnungslos, leer, wie ein Zombie. Ich konnte nicht einmal mehr heulen." Seither nehme sie Antidepressiva.

Im Jahr 2008 ließ sie sich auf Anraten ihres damaligen Ehemanns Thomas behandeln, innerhalb eines Monats änderte sich ihr Zustand. Sie habe sich wie eine andere Person gefühlt, sagte Vonn: "Das war verrückt. Ich hatte endlich wieder Freude daran, rauszugehen." Mit Blick auf ihre aktuelle Situation und die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi ergänzte Vonn: "Das ist ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich bin das erste Mal seit sehr langer Zeit glücklich."

In Val d'Isere erlitt die "Speed-Queen", die zuvor alle vier Speed-Rennen dieses Winters gewonnen hatte, nun einen sportlichen Rückschlag. Beim zweiten Training verhinderte sie nur mit Mühe einen Sturz, danach klagte sie über Knieschmerzen. Im Rennen rutschte sie nach nur 16 Fahrsekunden weg. Vonn konnte jedoch bald aufstehen und offenbar unverletzt ins Ziel abfahren. Von ihrem Ausfall profitierte die Schweizerin Lara Gut, die ihren dritten Weltcup-Sieg holte. Maria Höfl-Riesch erlebte in der "Vonn-Kurve" ebenfalls "einen kleinen Schock", wie sie es nannte, und kam auf Rang 13. Gina Stechert aus Oberstdorf belegte Rang elf.

Sie habe die Kurve "total verhauen", erzählte Höfl-Riesch, der der Schreck über den Beinahe-Ausfall noch anzusehen war. "Das war die große Problemkurve. Ich hatte Glück und war froh, dass ich noch stand." Nach den Plätzen 28, 26 und 24 in Val d'Isere war es für die Partenkirchnerin eine Steigerung. "Ich hatte gehofft, mit der Piste meinen Frieden machen zu können, das ist leider nicht gelungen."

Auf die Frage, ob sie als langjährige Freundin Vonns, über die Probleme bescheid wusste, antwortete Höfl-Riesch, wie sie es oft tat zuletzt. "Sie definiert sich wahnsinnig über den Erfolg. Wenn sie gewinnt, ist ihr Tag super, wenn nicht, ist dem eben nicht so. Das ist vielleicht ein bisschen eine Erklärung für die Depression."

Vonn hatte im November mit einer Darmerkrankung zu kämpfen und war deshalb im Krankenhaus behandelt worden. Damals gab es erste Spekulationen, sie leide an Depressionen. Umso beeindruckender fand Höfl-Riesch, "was sie auf Piste fabriziert hat, wie dominant und mit welcher Souveränität sie runtergefahren ist". Vonn selbst erklärte ihre jüngste Form damit, dass nun endlich "alle Teile meines Lebens zueinander passen". Sie akzeptiere nun, "wer ich bin".

Im vergangenen Jahr hatte sie sich von ihrem Mann Thomas scheiden lassen. Die Ehe, sagte sie jetzt, sei schon 2010 kaputt gewesen, als sie Olympiasiegerin wurde. "Im Fernsehen oder in Artikeln ging es immer nur um meine großartige Ehe, die schneeweiße Fassade, all den Erfolg und mein perfektes Leben. Aber hinter der Kulisse war es ein Kampf", sagte sie.

Vonn gab zu, schon im Jahr 2002 - mit damals 17 - an Depressionen gelitten zu haben. Auslöser könnte die Trennung ihrer Eltern gewesen sein. "Wegen meiner Sturheit, oder, weil ich mich schämte zuzugeben, dass etwas gewaltig schief lief, habe ich nichts unternommen", sagte sie. Stattdessen habe sie all ihre Emotionen ins Skifahren geworfen, das für sie immer ein Ventil gewesen sei. "Ich heulte mich in den Schlaf, aber am nächsten Morgen stand ich auf dem Berg - und fühlte mich gut. Wenn ich skifahre, bin ich glücklich."

(sid/seeg/csi)
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