Leipzig Wie Neonazis Michelles Tod missbrauchen

Leipzig (RPO). Während sich die Familie der in Leipzig getöteten Michelle noch im Schockzustand befindet und auf einen raschen Fahndungserfolg der Polizei hofft, nutzten Rechtsextremisten den Tod des Mädchens für Propagandazwecke.

Trauer um Michelle
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Rechtsextremisten haben Trauermärsche in Leipzig als Plattform für ihre Propaganda missbraucht und auf Transparenten die Todesstrafe für Kinderschänder gefordert. Davon distanzierten sich Michelles Eltern. Der Vater habe dazu erklärt: "Wir wollen mit dem braunen Sumpf nichts zu tun haben." Tust sagte, die Eltern hätten bislang auch nicht gewusst, dass ein Bruder von Michelles Mutter einer der Organisatoren rechtsextremistischer Kundgebungen sei. Michelles Familie wolle deren Onkel nun bitten, die Aktivitäten einzustellen.

Michelle könnte auf Spielplatz gewesen sein

Bei der Fahndung nach dem Mörder hat die Polizei nun Hinweise, dass das Mädchen am Montag, 18. August, gegen 16.00 Uhr noch auf einem Spielplatz gewesen sein könnte. Die Sonderkommission sucht jetzt weitere Zeugen, die Michelle nach dem Verlassen der Grundschule gesehen haben. Der Spielplatz befindet sich im Areal Holsteinstraße / Reinhold-Krüger-Straße. "Von besonderem Interesse ist dabei, wo Michelle war, ob sie allein oder in Begleitung gewesen ist und welche Gegenstände sie bei sich führte", teilte die Polizei am Donnerstag mit.

Bislang sind über 800 Hinweise eingegangen. In Rostock wurde eine Tasche gefunden, die aber laut Polizei nach dem gegenwärtigen Stand nicht mit dem Tötungsdelikt in Verbindung steht. "Die bisherigen Ermittlungen ergeben noch kein vollständiges Bild", erklärte die Soko.

Im Prozess Auftritt als Nebenkläger geplant

Die Eltern von Michelle hoffen unterdessen auf einen raschen Fahndungserfolg der Polizei. "Für die Angehörigen ist es sehr wichtig, dass der Täter nicht mehr frei herumläuft", sagte die Anwältin der Familie, Ina Alexandra Tust, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP. Die Eltern wandten sich zugleich gegen die Versuche der Neonazis, die Trauer um Michelle für ihre Zwecke zu nutzen.

Tust betonte, die ganze Familie befinde sich in einer psychischen Ausnahmesituation. "Die Eltern und die Geschwister von Michelle stehen noch immer unter Schock." Der Schmerz sei für Außenstehende nicht vorstellbar, sagte sie. "Alle hoffen immer wieder, dass es ein böser Traum ist, aus dem sie erwachen."

Michelles Leiche wurde unterdessen von der Gerichtsmedizin freigegeben. Die Beisetzung soll auf Wunsch der Familie im engsten Kreis unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Medien stattfinden. Wann das sein wird, steht noch nicht fest.

Die Anwältin der Familie hob hervor, die Eltern seien dankbar für die große öffentliche Anteilnahme. Sie rief zugleich aber eindringlich dazu auf, den Wunsch der Familie nach einem stillen Abschied von Michelle zu respektieren. Die Familie befindet sich derzeit an einem geheimen Ort außerhalb von Leipzig, wo sie von Psychologen betreut und von Mitarbeitern der Opferorganisation Weißer Ring unterstützt wird.

Normaler Tagesablauf nicht möglich

An einen normalen Tagesablauf sei derzeit nicht zu denken, sagte Tust weiter. Nach ihren Angaben kann der 37-jährige Vater, ein Taxifahrer, vorerst auch nicht seiner Arbeit nachgehen. Die Eltern konzentrierten sich auf die beiden fünf und elf Jahre alten Brüder von Michelle und versuchten, sie so weit wie möglich von den Medien abzuschotten, um sie nicht noch mehr zu traumatisieren.

Die Eltern kündigten über ihre Anwältin zudem an, sie würden bei einem Prozess als Nebenkläger auftreten. Michelle war am Montag, 18. August, von der Schule nicht nach Hause gekommen. Am Donnerstag danach fanden Spaziergänger ihre Leiche in einem Teich. Die Grundschülerin fiel einem Gewaltverbrechen zum Opfer. Die Polizei erhielt bislang gut 700 Hinweise. "Es ist aber noch nichts dabei, was auf eine bestimmte Person hindeutet", sagte ein Polizeisprecher. Die kriminalistische Puzzle-Arbeit fange jetzt erst richtig an.

(ap)
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