Liebe im Rheinland Konrad Beikircher: "Am wenigsten deutsch"

Düsseldorf (RP). Die Liebe zum Rheinland ist nicht unbedingt angeboren. Auch Zugezogene wissen, warum es am Rhein so schön ist. Der Südtiroler Kabarettist Konrad Beikircher ist prominenter bekennender Rheinländer, der im Gespräch gern erzählt, was der rheinische Charme für ihn bedeutet, warum er seit Studienzeiten Bonn zur Wahlheimat erklärt hat: "Für jeden, der mediterran empfindet, dem die Sonne noch etwas wert ist, und für jeden, der den rechten Winkel hasst wie die Pest, gibt es triftige Gründe, an den Rhein zu ziehen. Denn hier ist Deutschland am wenigsten deutsch."

Ein Beweis dafür sei das Zeitgefühl des Rheinländers, der im Hier und Jetzt lebe, weder Vergangenheit noch Zukunft kenne. Beikircher: "Wenn es jetzt schön ist, dann findet der Rheinländer es jetzt schön. Und dann ist ihm auch total egal, was am anderen Tag ist. Selbst wenn er weiß, dass er morgens um fünf los muss, und es abends aber richtig schön ist, dann denkt er im Traum nicht daran, früher nach Hause zu gehen. Das ist eine Verbeugung vor der Gegenwart - ein mediterranes Lebensgefühl, zu denken wie Diogenes in der Tonne, immer gemäß seinem Motto ,Geh mir aus der Sonne!‘."

Der rheinische Mann: Italienische Züge sagt der Kabarettist ihm nach. "Er ist der typische Neapolitaner, sitzt am Mäuerchen, schaukelt ein bisschen mit den Füßen und - jo - eigentlich ist das so am schönsten für ihn. Dann gibt es noch den Schnäuzer. Der Schnäuzer organisiert gern, aber er organisiert vor allem gerne etwas Schönes. Der Schnäuzer sorgt dafür, dass immer ein Pittermännchen da ist. Wie er das - zu Hause oder auf Reisen - schafft, bleibt sein Geheimnis." Der dritte Prototyp auf Beikirchers subjektiver Landkarte ist der freundliche Kritiker, einer mit der Haltung eines Heinrich Böll. "Ganz wichtige rheinische Figur, denn er ist ein Kritiker der gesellschaftlichen Zustände. Böll hat ohne Scheu kritisiert, aber doch immer mit einer gewissen Freundlichkeit."

Das rheinische Mädchen: Eher bescheiden kennt sich Beikircher mit den Frauen aus. "Da gibt‘s die duldsame Ironisch-Akzeptierende, die sich nicht mehr darüber aufregt, dass die Männer so sind wie sie sind. Dann auch die Organisiererin, der du gar nicht zutraust, dass sie zärtlich und lieb sein kann. Eine fast schon geschlechtslose Frau - vielleicht stecken ja Enttäuschungen dahinter - die das Leben gnadenlos organisiert."

Rheinische Kost: Fern von Bella Italia vermisst der Feinschmecker selbst kulinarisch nichts. Wie ihm das Rheinland schmeckt? "Danke gut - und mediterran. Ganz selten genehmige ich mir eine Haxe. Wenn Chinesen, Israelis oder Amerikaner ins Rheinland kommen, dann finden sie das Essen lieblich, nicht herb. Ab und zu ist‘s natürlich deftig mit Blutwurst und Holländer Käse, doch die Aromen des Mittelmeeres, Knoblauch und Rosmarin, sind dabei. Seit den 60er Jahren ist viel passiert. Wenn man damals einen Wein trinken wollte, dann gab es Rhein oder Mosel, lieblich oder sauer. Heute sind die Weinkarten international sortiert. Rheinländer sind gelehrige Schüler. Sie haben weniger nachgeäfft als andere, sie haben mehr angenommen."

Der rheinische Charme: Selbst dafür bemüht Beikircher Italien: "Der rheinische Mensch, ob Mann oder Frau, ist am charmantesten, wenn er keine Rücksicht nimmt auf andere. Wenn er ganz bei sich selber ist, egal ob Kölner Macho oder Düsseldorfer Model, das seine Kleidung durch die Gegend trägt. Dann ist diese mediterrane Lebensart spürbar, die man rheinischen Charme nennt."

Rheinische Grammatik: Welcher Menschenschlag sich nicht mit dem Rheinländer verträgt? "Alle, die nicht, die Korrektheit und Planung im Leben mögen, die Prinzipienreiter. Nur der Westfale mit seinem Phlegma erlebt den Rheinländer wie ein Naturereignis. Die kommen im Grunde ganz gut miteinander zurecht." Anders der Österreicher: "Wenn ein Österreicher sagt, kann ich mal vorbeikommen, dann sagt der andere niemals nein, aber er bedeutet in verschiedenen sprachlichen Schattierungen, dass er nein meint. Als ich anfing, in Bonn zu studieren und meinen Kommilitonen sagte, kommt doch mal vorbei, da kamen die sofort. Ich fiel aus allen Wolken. Man muss die Grammatik dieser Enklave innerhalb der deutschen Sprache und der deutschen Gepflogenheiten kennen."

Von Annette Bosetti

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