Luftsicherheit Hersteller halten Drohnen freiwillig am Boden

Bei der Fußball-EM in Frankreich werden alle Stadien gegen mögliche Drohnen-Angriffe gesichert. In Deutschland ist die Gesetzeslage so chaotisch, dass sich Piloten und Hersteller vorsichtshalber selbst beschränken.

Kein Aufstieg rund um dieses Stadion: Vor der Arena des MSV Duisburg lassen sich viele Drohnen nicht starten, aus Sicherheitsgründen. Das System haben Herstellerfirmen freiwillig entwickelt. Wo offiziell Flugverbot herrscht, lässt sich für Laien kaum in Erfahrung bringen.

Kein Aufstieg rund um dieses Stadion: Vor der Arena des MSV Duisburg lassen sich viele Drohnen nicht starten, aus Sicherheitsgründen. Das System haben Herstellerfirmen freiwillig entwickelt. Wo offiziell Flugverbot herrscht, lässt sich für Laien kaum in Erfahrung bringen.

Foto: Reichwein

Markus Koch mag seine Drohne, sehr sogar. Gerade deshalb freut sich der 36-jährige IT-Fachmann aus Willich, wenn das wendige, von jedem leicht zu steuernde Fluggerät an bestimmten Orten partout nicht starten will, etwa in der Nähe von Flughäfen, Kraftwerken, Gefängnissen und auch großen Fußballstadien. Auf dem Smartphone des Piloten, das als Fernsteuerung dient, erscheint eine Warnmeldung, Inhalt: "Sperrzone - Flugverbot". Das soll der Sicherheit dienen: Um potenziell desaströse Zusammenstöße und Abstürze garantiert zu verhindern, so die Idee, sollen die Drohnen in besonders gefährdeten Gebieten lieber komplett am Boden bleiben. Das Besondere daran: Hinter dieser Information samt elektronischem Zwang zu ihrer Beachtung steckt nicht der Gesetzgeber.

Die größten Hersteller privater Drohnen ("Copter") um den chinesischen Weltmarktführer DJI gehen mit der Software in Vorleistung, freiwillig und trotz der Kritik einiger Piloten, die sich dadurch bemuttert fühlen. Dahinter steckt Angst um den Ruf des trendigen Hobbys durch Negativ-Schlagzeilen, die im derzeit boomenden Geschäft schnell Umsatzeinbußen zur Folge haben könnte.

Dass es Hobbypiloten tatsächlich oft am Bewusstsein für die möglichen Gefahren der Drohnen-Fliegerei fehlt, betont auch Christoph Bach vom Bundesverband Copter-Piloten (BVCP). "Insbesondere wer seinen Copter online oder im Spielwarenhandel kauft, möchte sofort losfliegen." Qualifizierte Beratung oder gar Schulung rund um dieses neue Hobby ist Mangelware, und selbst wer sich aus eigenem Antrieb pflichtbewusst darüber informieren will, wo er seine Drohne wie hoch fliegen lassen darf, dürfte schnell frustriert aufgeben.

Das liegt an einem Flickenteppich aus gesetzlichen Regelungen, der kaum kompakt kommuniziert wird. Geschaffen haben ihn unter anderem das Luftfahrtbundesamt, das Bundesverkehrsministerium sowie die Luftfahrtministerien der Länder samt deren nachgeordneten Behörden wie etwa Bezirksregierungen. In der Praxis heißt das zum Beispiel: Für alle Drohnen bis 5 Kilogramm Abfluggewicht gelten die Bestimmungen der Luftverkehrs-Ordnung — inklusive Befreiung von der Pflicht, vor jedem Start eine Aufstiegserlaubnis einzuholen. Ist allerdings eine Foto- oder Videokamera an Bord, kann der private Flug je nach Interpretation der zuständigen Landesluftfahrtbehörde schnell zum gewerblichen werden, was wiederum streng im Luftfahrtgesetz geregelt ist.

Die Überwachung des Luftraums ist Aufgabe der Deutschen Flugsicherung (DFS). Doch dort verweist man darauf, Modellpiloten hätten ebenso wie solche von bemannten Luftfahrzeugen "die Pflicht, sich vor Antritt eines Fluges mit allen den Flug betreffenden Gegebenheiten vertraut zu machen". Dazu stünden ihnen "alle Informationsquellen der bemannten Luftfahrt wie beispielsweise das Luftfahrthandbuch" zur Verfügung. Das kostet allerdings 79 Euro — mehr als manche Spielzeugdrohne —, und ist für Laien zudem völlig unverständlich.

Eine Vereinfachung und Verschärfung der Regelungen zugleich ist in der Mache, der jüngst gegründete Interessenverband BVCP will der Politik dabei als Ansprechpartner dienen. Sofort und auf lokaler Ebene wollen Menschen wie Markus Koch Abhilfe schaffen. Der Willicher schult mit seinem Verein "Photocopter Niederrhein" andere Drohnenpiloten über die wichtigsten Eckpunkte der Rechtslage. Außerdem testet er neue Versionen der von den Herstellern DJI, Yuneec und Parrot entwickelten "Geo"-Software: Diese gleicht die Position der Drohne ständig mit einer selbst erstellten Datenbank von Flugverbotszonen ab, die selbst das Stadion des Krefelder Fünftligisten (!) KFC Uerdingen enthält, was Polizei und Ordnungsamt der Stadt erstaunt zur Kenntnis nehmen. "Wer seine Entscheidungsfreiheit für wichtiger hält als die Beachtung von Flugverbotszonen, könnte diese Software hacken oder das GPS-Signal stören", gibt Koch zu. "Aber der Großteil der Verstöße erfolgt ja fahrlässig. Viel rechtlicher und potenziell auch teurer Ärger kann damit effektiv verhindert werden."

Die Liste mit Flugverbotszonen vom chinesischen Drohnen-Marktführer DJI weist mit Stand 20. Mai in Deutschland 182 Einträge auf. 118 davon betreffen zivile wie militärische Flughäfen und Flugplätze. Auch über 17 Gefängnissen darf und kann man mit GPS-gesteuerten DJI-Drohnen wie der "Phantom" nicht fliegen. Dasselbe gilt für 17 Atomkraftwerke — die acht aktiven sowie die neun, deren Mehrzahl als Reaktion auf die Katastrophe von Fukushima am 6. August 2011 vom Netz genommen wurden, aber weiterhin potenzielle Anschlagsziele sind.

Eine Liste der tatsächlichen, offiziellen Flugverbotszonen in NRW ist von den Behörden nicht zu erhalten. Die geplante Vereinfachung der Regeln zur Flugsicherheit wiederum bringt die "traditionellen" Modellflieger auf die Palme, die davon ebenfalls betroffen sein werden: Eine entsprechende Petition hat bereits 90.000 Unterstützer gefunden.

Die Drohnenpiloten aber bleiben defensiv. "Über leeren Fußballstadien dürfte man rechtlich gesehen fliegen, aber der Einfachheit halber könnte man das gern auch komplett verbieten", sagt auch Markus Koch, der schon Kollegen aus seinem Verein geworfen hat, weil die ihre Drohnen zu nah an einem Flohmarkt vorbeigesteuert haben. Am rechten Rheinufer bei Kaiserswerth fliegt er selbst überhaupt nicht, obwohl er dürfte — von den tieffliegenden Helikoptern zwischen dem Flughafen Düsseldorf und den Kliniken in Krefeld und Duisburg ist laut Koch in keiner Luftkarte die Rede, aber es gibt sie und der Drohnenpilot kann auf einen Crash gut verzichten.

Wichtiger als möglichst große Freiräume zum Fliegen sind ihm klare Regelungen, wie sie derzeit ausgearbeitet werden — etwa eine Begrenzung der Flughöhe auf 100 Meter. "50 Meter wären auch schon ausreichend", sagt er. Koch hofft, dass der Ruf der Drohnenpiloten nicht noch weiter leidet. Und dass ihre Fluggeräte unbeschädigt bleiben. Ob Verletzungen von Flugverbotszonen durch Drohnenpiloten verfolgt oder aktiv verhindert werden, ist der Deutschen Flugsicherung "nicht bekannt" — Koch aber weiß von der Existenz spezieller Drohnen-Abwehrsysteme mit 1800 Grad heißen Lasern: "Damit werden sie noch in der Luft sofort zusammengeschmolzen."

(tojo)
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