Neuss Shakespeare im Doppelpack

Neuss · Zwei Stücke in einer Aufführung, und dann auch noch solche, die als schwierig zu spielen gelten. Aber die Bremer Shakespeare Company ist dafür bekannt, vor nichts zurückzuschrecken, um Shakespeare Stücke in ein neues Licht zu setzen. Vor einigen Jahren ist der Truppe das beim Festival im Globe mit einer ganz eigenen "Coriolan"-Version auf beeindruckende Weise gelungen. Jetzt also hat sie sich "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" vorgenommen. An einem Abend.

Mehr oder weniger zehn Jahre hat Shakespeare verstreichen lassen, bevor er die Fortsetzung der römischen Geschichte nach der Ermordung Julius Cäsars und Machtübernahme seines Sohnes Octavius (der spätere Augustus) mit dem Fokus auf Marcus Antonius und der ägyptischen Königin Cleopatra geschrieben hat. Regisseur Lee Beagley gibt seinem Publikum gut 20 Minuten (Pause), um das erste zu verarbeiten und sich dann auf das zweite zu konzentrieren.

Drei weise Narren

Wer in dieser Zeit das Globe verlassen hat, hat das Beste verpasst. Denn ist der erste Teil der Inszenierung noch ein hingehuschtes Etwas, so hat der zweite eine große Dichte. Beagley ist in seiner Spielfassung der beiden Stücke mit den Originalen recht frei umgegangen, hat viele Personen rausgestrichen, Dialoge gekürzt (zum Glück, sonst wären nicht drei, sondern sechs Stunden dabei herausgekommen) und hat auf der anderen Seite Figuren neu konstruiert. Rainer Iwersen und Chris Alexander haben das Ganze recht flapsig übersetzt.

Ein genialer Schachzug Beagleys ist es, den Geist Cäsars, der Brutus in der Schlacht von Philippi im ersten Stück erscheint, im zweiten weiter irrlichtern zu lassen und gar noch zum Geistertriumvirat mit Cassius und Brutus zu erweitern. Diese Drei haben in der Geschichte von Marc Anton und Cleopatra die Funktion der Shakespeare'schen weisen Narren und drücken auf amüsante Weise die Dimension des Geschehens auf die Soap-Ebene. All die Schlachten, all die Toten — nur ausgelöst, weil Antonius und Cleopatra die Finger nicht voneinander lassen können. Auf der Strecke bleibt allerdings das tiefere Eindringen in die Folgen von nicht beherrschbaren Gefühlen.

Dieser Kniff mit den kommentierenden Zusatzrollen funktioniert allemal besser als im ersten Teil, in dem Beagley die Wolfsmutter von Romulus und Remus zur Leit-Figur macht. Ohnehin ist der ganze Einstieg mit der comic-haften Bebilderung der Sage recht albern und wenig zielführend.

So sind es vor allem die zweiten eineinhalb Stunden über Antonius und Cleopatra, die mit großer innerer Geschlossenheit überzeugen. Die Schwere des ersten Dramas löst sich in schwebende Leichtigkeit auf — was auch äußerlich von der Wandlung der dominierenden Farben von Rot zu Weiß deutlich wird.

Und im Gegensatz zum ersten Teil des Abends hat das Stück beim zweiten ein Ziel und vor allem auch eine klare Figurenzeichnung. Wobei Letzteres auch den guten Schauspielern zu verdanken ist. Petra-Janina Schultz erspielt ihrer Cleopatra eine fiebrige Besessenheit; Erik Rossbander ist ein herrlich abgeklärter Geist von Julius Cäsar, Tobias Dürr ein wilder Antonius. Auch die anderen — Tim D. Lee, Markus Seuss und Beate Weidenhammer — reihen sich da ein.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort