Sprechstunde Paul Dann Bewegung macht Kranke munter

Orthopädie und Physiotherapie müssen stets zusammenwirken.

Unser Leser Jürgen H. (34) aus Düsseldorf fragt: "Ich leide seit längerem an den Folgen eines Bandscheibenvorfalls. Mein Orthopäde ist absolut gegen die Operation. Krankengymnastik und Manuelle Therapie sind nach einer Spritzen-Vorbehandlung derzeitig neben der klinischen Kontrolluntersuchung durch den Arzt die ausschließliche Behandlungsmaßnahme. Ist das vernünftig? Wie eng arbeiten Orthopädie und Physiotherapie denn überhaupt zusammen?"

Paul Dann Patienten, die einen Orthopäden aufsuchen, klagen vorwiegend über Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates (Rückenschmerz, Knie- und Hüftbeschwerden), Formabweichungen (Wirbelsäulenverkrümmung, Senk-Spreiz-Füße) oder Funktionsverlust (Lähmung). Der Begriff Orthopädie wurde Mitte des 18. Jahrhunderts von Nicolas Andry de Boisregard, einem Kinderarzt in Paris, erstmals verwendet. Das Wort Orthopädie setzt sich ebenso wie das Wort Physiotherapie aus zwei griechischen Worten zusammen. Zunächst Orthos: "gerade, von Ungestalt befreit" und Paedion: "Kind", bedeutet also so viel wie die "gerade, aufrechte Entwicklung". Andry hat in seinem Werk vor allem die Vermeidung von Spätfolgen nach Haltungsschäden von Kindern im Auge gehabt und empfahl, Verkrümmungen der Wirbelsäule und der Beine durch Schienen zu korrigieren. Dieser Vorschlag war revolutionär, denn bis dahin galten "Verkrüppelungen" als gottgegeben und kaum durch medizinische Kunst beeinflussbar. Andry verglich die Aufgabe des Orthopäden mit der eines Gärtners, der einen verwachsenen Baum an einem kräftigen Pfahl anschlingt. Das Symbol der Orthopädie ist ein kleines Bäumchen, dessen Stamm nicht ganz gerade gewachsen ist und zur vorsichtigen Wuchslenkung an einen Stab gebunden wird. Die Physiotherapie leitet sich von den beiden Worten Physis ("die Natur, das Wirkliche, das Erfahrbare") und Therapeia ("Behandlung") ab. Als natürliches Heilverfahren nutzt die Physiotherapie natürliche Anpassungsmechanismen des Körpers, um Störungen gezielt zu behandeln oder als Maßnahme in der Gesundheitsvorsorge (Prävention) zu vermeiden. Diese Philosophie stellt eine Alternative oder eine sinnvolle Ergänzung zu medikamentösen und operativen Behandlungsformen dar. Bewegungstherapie ist die Hauptaufgabe der Physiotherapie; früher nannte man sie Krankengymnastik. Sie heilt Erkrankungen durch aktive und passive Bewegung, der vorbeugende Aspekt ist groß und nachhaltig. Auch der Beschäftigungsumfang der Physiotherapie ist erstaunlich und vielseitig: Sie mobilisiert kranke Patienten, dehnt und kräftigt Muskeln, Sehnen und Bänder; sie behandelt mit mechanischen Reizen (Massage), mit Wärme, Kälte, Wasser oder mit Strom. Die Kernziele sind: Linderung von Schmerz und sogar Schmerzfreiheit, Muskelentspannung, Förderung von Stoffwechsel und Durchblutung, Erhaltung und Verbesserung der Beweglichkeit, der Koordination, der Kraft und der Ausdauer, Verhütung und Korrektur von Fehlstellungen, Einsparung von Medikamenten und vieles mehr. Zu einem optimalen Ergebnis kommt es, wenn der Erkrankte motiviert ist und Durchhaltevermögen besitzt. Der Erfolg wird durch stetes Eigentraining, Änderung von Gewohnheiten und durch die Akzeptanz mehrerer Behandlungseinheiten bestimmt. Dabei ist die enge Absprache zwischen dem Orthopäden und dem Physiotherapeuten wichtig.

Paul Dann ist niedergelassener Orthopäde, Rheumatologe und Osteologe in Düsseldorf.

(RP)
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