Auto für Liebhaber Audi 100 Coupe S — der Wagen für den Boss

Ingolstadt · Manchmal ist es ganz einfach: Wenn sich der Chef ein Auto wünscht, wird es einfach gebaut - ganz ohne Marktanalysen oder Kosten-Nutzen-Rechnungen. So geschehen beim Audi 100 Coupe S. Mit dem Design setzten die Ingenieure Maßstäbe.

Liebhaber-Stück: Das Audi 100 Coupe S
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Ludwig Kraus hatte ein Faible für schöne Autos. Besonders die sportlich geschnittenen Modelle hatten es dem Direktor der Entwicklungsabteilung und späteren Vorstandsmitglied der Auto Union angetan. Das Problem: In den 1960er Jahre hatte Audi noch nichts dergleichen im Programm. "Kraus wollte aber unbedingt ein Coupe als Dienstwagen", erzählt Ralf Friese von Audi in Ingolstadt. Die Lösung: "Der Chef beauftragte einfach seine Mitarbeiter, ein solches Auto zu entwickeln." Das Ergebnis ist auch noch aus heutiger Sicht beeindruckend schön: das Audi 100 Coupe S.

"Kraus hatte ziemlich klare Vorstellungen davon, wie der Wagen aussehen soll" erzählt Heiko Feindt, Vorsitzender des Audi 100 Coupe S Clubs Deutschland (A.C.C.D.). Beim Design sollte sich der langjährige Audi-Chefstylist Hartmut Warkuß an den sportlichen Coupes aus Italien orientieren, denn die waren in den 60er und 70er Jahren stilbildend. Kein Wunder, dass das steil abfallende Heck an den Fiat Dino oder den Maserati Ghibli erinnert.

Bei der Entwicklung des Autos griffen die Ingenieure auf hauseigene Produkte zurück. "Das Coupe basiert auf der Bodengruppe der Limousine, deren Radstand allerdings um 115 Millimeter verkürzt wurde", erzählt Friese. "Bis zur A-Säule sind die Karosserieteile identisch." Ab der B-Säule neigt sich das Dach des Coupes in elegantem Schwung leicht nach unten. Lufteinlässe hinter den Seitenscheiben, Doppelscheinwerfer und zwei Auspuffrohre unterstreichen den sportlichen Charakter des Autos.

112 statt 115 PS

Ausgestattet war das Audi 100 Coupe S, das 1969 auf der IAA der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, mit einem 85 kW/115 PS starken 1,9-Liter-Vierzylindermotor und leistete damit etwas mehr als die Limousine. Geschafft hatten die Ingenieure diesen Kunstgriff mit Hilfe einer vergrößerten Zylinderbohrung und einer Solex-Zweivergaseranlage. Aufgrund verschärfter Abgasgesetzgebung wurden im Herbst 1971 allerdings geänderte Vergaser eingebaut. Die Motorleistung fiel dadurch auf 82 kW/112 PS.

Mit einem Spitzentempo von 185 km/h gehörte das Coupe auf der Autobahn zu den schnelleren Autos. Doch nach dem Fahrvergnügen kam mitunter die Ernüchterung: "Lange Vollgasfahrten vertrug der Wagen nicht", sagt Friese. "Oft gab es danach einen Motorschaden."

Zielgruppe für den Wagen waren vor allem gut verdienende Individualisten. "Das Wort Familie tauchte in den Prospekten immer ganz hinten auf", erzählt Friese. Dabei bietet das Auto vier Personen ausreichend Platz. "Und auch der Kofferraum ist riesig." Auch Feindt ist von dem Auto bis heute überzeugt: "Der Wagen ist absolut alltagstauglich." Nicht zuletzt, weil der durchschnittliche Verbrauch von etwa neun Litern Super auch für heutige Verhältnisse noch akzeptabel ist.

Ein Schnäppchen war das Auto allerdings nicht: Bei der Markteinführung 1970 betrug der Grundpreis des Coupe S 14.400 Mark. Das Coupe S mit Automatikgetriebe kostete bei Einführung im Oktober 1971 sogar 15.600 Mark. Bis März 1976 stieg der Listenpreis des schönen Audi sogar auf bis zu 19.365 Mark. Zum Vergleich: Der Audi 100 LS, das bisherige Top-Modell, lag 1970 bei 10.890 Mark. Gegen die Konkurrenz hatte das Audi Coupe damit einen schweren Stand: Einen Opel Commodore gab es 1975 für 12.500 Mark, einen Ford Capri schon für 7000 Mark.

"Schon während Bauzeit eine Rarität"

Sicher lag es an dem recht hohen Preis, dass das Auto kein echter Verkaufsschlager wurde. Insgesamt 30.676 Fahrzeuge wurden im Werk in Neckarsulm gebaut. "Damit war das Audi 100 Coupe S schon während seiner Bauzeit eine Rarität", erzählt Friese. Dennoch war das Coupe für Audi von großer Bedeutung, denn damit ebnete der Hersteller den Weg in die Automobile Oberklasse. "Es war ein Prestigeprojekt", sagt Friese. Und das Design wirkt bis heute: "Für das Heck des A7 haben sich die Konstrukteure am Coupe S orientiert."

Die relativ geringen Stückzahlen machen das Auto inzwischen zu einem begehrten Sammlerobjekt. "Weltweit gibt es noch etwa 400 Stück", sagt Feindt. Gut erhaltene Modelle zu bekommen, ist schwer. Denn das Coupe hatte einen entscheidenden Schwachpunkt: "Die Blechqualität war ziemlich schlecht, wie bei vielen Autos zu dieser Zeit", erzählt Friese. In der Regel mussten schon nach sechs Jahren die ersten Schweißarbeiten erledigt werden. "Nach zehn Jahren konnte man viele der Coupes nur noch verschrotten", ergänzt Feindt.

Kein Wunder, dass ein Audi 100 Coupe S in einem akzeptablen Zustand heute 12.000 bis 18.000 Euro kostet. "Je nachdem wie viele Extras der Wagen hat", sagt Feindt. Autos in einem schlechteren Zustand bekommt man auch schon für etwa 4000 Euro. "Dann muss man aber einen fünfstelligen Betrag für die Restaurierung einplanen." Das kann sich lohnen - "denn der Wagen ist einfach schön", sagt Feindt.

(dpa-tmn)
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