Interview mit dem neuen Verkehrsminister "NRW kommt auf die Überholspur"

Düsseldorf (RP). Der neue Bundesminister für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung, Peter Ramsauer, sprach mit unserer Redaktion über die konkreten Inhalte seines geplanten "Aufbauprogramms West" und seinen Kampf gegen eine einseitige Expansion der französischen Staatsbahn SNCF nach Deutschland.

Die Pläne der Schwarz-Gelben Regierung
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Foto: AP

Was macht aus einem Müllermeister einen guten Verkehrsminister?

Ramsauer Nicht nur die Erfahrungen im erlernten Beruf. Auch zum Beispiel die Promotion mit der Gesamtnote "sehr gut" am Lehrstuhl für öffentliche Wirtschaft und Verkehrswirtschaft der Uni München. Und vor allem die vielen kommunalpolitischen Aufgaben seit meinem 24. Lebensjahr: Alles, was heute auf dem Feld von Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung im Großen zu bewältigen ist, habe ich in der Kommunalpolitik in jeder Schattierung im Kleinen kennen gelernt. Da ging es etwa darum, Wohnraum zu schaffen und Verkehrsanbindungen verträglich zu gestalten. Meine praktischen Erfahrungen in 19 Jahren Bundespolitik tragen natürlich auch dazu bei, Probleme und deren Lösungen zu erkennen. Der Müllermeister fühlt sich als Minister bestens gerüstet.

Sie sind Nachfolger eines SPD-Ministers. Worin unterscheidet sich schwarze von roter Verkehrspolitik?

Ramsauer Rote Verkehrspolitik ist stark von der Ideologie geprägt. Sie will die Menschen bei der Wahl ihrer Verkehrspolitik bevormunden. Wer glaubt, die Probleme Deutschlands mit einem Schienen-Dogma lösen zu können, der kommt aufs Abstellgleis. Schwarze Verkehrspolitik ist dagegen von der Freiheit der Mobilität geprägt. Ich will den mündigen Bürger und ihn in der Wahl seiner Verkehrsmittel akzeptieren. Wichtig ist für mich auch, dass Mobilität bezahlbar bleibt.

Was wollen Sie am Ende Ihrer Amtszeit bewegt haben?

Ramsauer Ich werde einen neuen Akzent setzen, der in der Bezeichnung meines Ministeriums für "Stadtentwicklung" überhaupt nicht vorkommt. Denn "Stadtentwicklung" alleine wäre falsch, es muss darum gehen, gleichwertig auch die ländliche Entwicklung zu fördern. Aus Bayern wissen wir, welche Chancen darin wiederum für die Entwicklung des gesamten Landes stecken.

Ihr Leitbild?

Ramsauer Mein Haus hat mit 82 Millionen Menschen in Deutschland zu tun. Sie alle fahren und sie alle wohnen und viele von ihnen bauen. Das sind die drei Kernidentitäten meines Ministeriums. Und es sind auch die Grundbedürfnisse der Menschen. Jeder muss spüren: Dieses Ministerium tut was für uns.

Was steht hinter Ihrer Idee vom "Aufholprogramm West"?

Ramsauer Wir haben in den letzten 19 Jahren den deutlich größeren Teil aller investiven Mittel in den Aufbau der Infrastruktur in den neuen Ländern gesteckt. Und zwar aus guten Gründen. Wir mussten hier viel aufbauen, um die Wiedervereinigung zum Erfolg zu machen. Das hat aber dazu geführt, dass in den alten Bundesländern vieles zurückgestellt wurde oder ganz unterblieben ist. Selbst im Straßenunterhalt ist gespart worden. Nachdem in den neuen Ländern jetzt wichtige Standards erreicht sind, ist es unerlässlich, dass der Unterhalt bei Schiene, Straßen und Bauten im Westen nachgeholt wird. Unser Staat kann es sich nicht leisten, die eigene Verkehrs- und Bausubstanz auf Dauer auf Verschleiß zu fahren.

Was werden die Bürger in NRW davon merken?

Ramsauer NRW ist das bevölkerungsreichste Land. Es wird bei Investitionsvorhaben deshalb stark berücksichtigt. Unter anderem werden wir die A 1 ausbauen — eine Hauptschlagader des deutschen Verkehrs. Das ist für die Mobilität der Menschen in NRW ganz wichtig. Dann wird der Kölner Ring durchgehend sechsstreifig gemacht, um hier die belastenden Dauerstaus aufzuheben. Auch die Flughäfen werden profitieren: Die Luftdrehkreuze Köln und Düsseldorf muss man verkehrstechnisch optimal anbinden. Nicht zuletzt geht es darum, den links- und rechtsrheinischen Schienenverkehr zu stärken. Sie merken: NRW wird buchstäblich auf die Überholspur gesetzt.

Wird der Osten deswegen kürzer treten müssen?

Ramsauer Nein. Im Westen wird etwas nachgeholt, ohne dass der Osten zu kurz kommt. Der Bundesminister steht in einer gesamtnationalen Verantwortung und muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur im Norden und Süden genau so wie im Osten und Westen auf Dauer optimal funktioniert.

Die Autobahnen würden auch entlastet, wenn mehr Güter auf die Schiene kämen.

Ramsauer Das begleitet mich seit Jahrzehnten. Wir haben aber derartig starke Zuwächse im Güter und Personenverkehr zu erwarten, dass wir schon froh sein müssen, wenigstens diese Zuwächse annähernd auf die Schiene zu bekommen. Damit wäre schon viel gewonnen. Wesentliche Teile von der jetzigen Befrachtung der Straße auf die Schiene zu schieben, halte ich für nahezu unrealistisch. Ich bin lieber Realist.

Derzeit sinkt das Volumen des Güterverkehrs auf der Schiene.

Ramsauer Das ist konjunkturbedingt. Überall geht es um ca. 30 Prozent zurück: auf der Straße, auf der Schiene, in der Schifffahrt und bei der Luftfracht. Das wird nach der Krise auch schnell wieder anders. Diese kurzfristigen Einbrüche kann ich nicht zur Planungsgrundlage machen.

Die französische Staatsbahn SNCF will auf Strecken in Deutschland expandieren. Wie bewerten Sie das?

Ramsauer Der Wunsch ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Aber er ist typisch für die französische Staatswirtschaft. Das erleben wir auch beim Gas- und Elektrizitätsmarkt. Frankreich versucht, die Liberalisierungen in anderen Ländern mit den eigenen Staatsunternehmen und deren Töchtern zu nutzen, zugleich weigert sich Frankreich aber, die eigenen Märkte zu deregulieren und dem internationalen Wettbewerb zu öffnen. Der Deutschen Bahn AG wird es bis heute unmöglich gemacht, auf innerfranzösischen Strecken Personenverkehr anzubieten. Das kann so nicht weitergehen. Ich habe als deutscher Verkehrsminister auch deutsche Interessen innerhalb Europas zu wahren. Deshalb habe ich am zweiten Tag meiner Amtszeit mit meinem Amtskollegen Dominique Bussereau bereits telefoniert. Wettbewerb ist gut, er muss jedoch auf beiden Seiten stattfinden.

Wird zur Not Angela Merkel hier Staatspräsident Sarkozy in die (Bahn-)Schranken weisen müssen?

Ramsauer Das werden wir hoffentlich auf der Ebene der Verkehrsminister lösen können. Ich habe noch nie zu denen gehört, die mit ihrem großen Bruder oder ihrer großen Schwester drohen. In der Schule habe ich auch immer selber gerauft und zur Not so lange Prügel eingesteckt, bis ich gewonnen habe.

Das Gespräch führte Gregor Mayntz.

(RP)
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