Neues Buch Sarrazin haut wieder drauf

Düsseldorf (RPO). Thilo Sarrazin ist nicht um klare Worte verlegen. Immer wieder legt der Bundesbank-Vorstand seinen Finger in die Wunden der Republik. Bevorzugtes Ziel von Sarrazins Verbalattacken: Hartz-IV-Empfänger und Migranten. Jetzt legt der Provokateur vom Dienst ein komplettes Buch nach: "Deutschland schafft sich selbst ab."

Thilo Sarrazin liebt klare Worte
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Thilo Sarrazin ist ein Mann, der sich Sorgen macht - um Deutschland. In seinem neuen Buch warnt er vor den Gefahren und Herausforderungen der Zukunft. "Deutschland ist in der Spätphase eines goldenen Zeitalters, das um 1950 begann und langsam zu Ende geht", schreibt er in seinem Werk, das in Auszügen im "Spiegel" und der "Bild" zu lesen ist. Im gewohnt polemischen Ton versucht der 65-Jährige, seine teils äußerst umstrittenen Äußerungen der letzten Jahre zu begründen und statistisch zu untermauern.

Eigentlich würde ein Mann wie Sarrazin in Deutschland nur Politik-Kennern ein Begriff sein. Von 2002 bis 2009 war er Wirtschaftssenator in Berlin, nun sitzt er im Vorstand der Bundesbank. Eine beachtenswerte Karriere, für die sich die Medien allerdings nur in Ausnahmefällen interessieren. Ein solcher ist Sarrazin.

Es sind Sätze wie diese, die ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen: "Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel." Oder: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig kleine Kopftuchmädchen produziert."

Mit solchen Äußerungen hat Sarrazin für viele Menschen die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Aus der Politik kam Schelte ("Rassismus pur"), die SPD wollte ihn sogar ausschließen. Plötzlich hatte Sarrazin Anzeigen wegen Volksverhetzung am hals. Bei der Bundesbank wollte sein Chef Axel Weber ihn feuern, letztlich entzog man Sarrazin einen wichtigen Geschäftsbereich.

Das ist die eine Seite. Andererseits spricht Sarrazin das aus, was Viele fühlen - und die meisten nicht zu sagen wagen. "Sich um Deutschland als Land der deutschen Sorgen zu machen, gilt fast schon als politisch inkorrekt", beklagt er sich. Oder man werde bei Kritik an Migranten gleich in die "völkische Ecke" gestellt.

Es gab aber auch öffentlichen Rückhalt. Hans-Olaf Henkel, Ralph Giordano, Peter Sloterdijk, die Frauenrechtlerin Necla Kelek und Helmut Schmidt unterstützten Sarrazins Äußerungen in Teilen. Nur der Ton gefiel dem Altkanzler nicht, wie er der "Zeit" sagte: "Wenn er sich ein bisschen tischfeiner ausgedrückt hätte, hätte ich ihm in weiten Teilen seines Interviews zustimmen können."

Das ist Sarrazins Vorteil und Problem zugleich: Er spricht Themen an, die die Menschen bewegen - und das in einer Deutlichkeit, die sich "normale" Politiker nie trauen würden. Eine seiner Thesen: Die Deutschen würden bei anhaltender Gebärunfreudigkeit Ende des Jahrhunderts eine Minderheit im eigenen Land sein. Gleichzeitig kritisiert Sarrazin den Umgang mit Themen wie Migration, Integration, Demographie und Hartz IV.

"Die Tendenz des politisch korrekten Diskurses geht dahin, die Menschen von der Verantwortung für ihr Verhalten weitgehend zu entlasten, indem man auf die Umstände verweist, durch die sie zu Benachteiligten oder gar Versagern werden", schreibt Sarrazin. So würden nicht die Eltern für das Übergewicht ihrer Kinder verantwortlich gemacht, sondern ihre soziale Not. Könnten Türken, die in der dritten Generation in Deutschland leben, noch immer nicht richtig Deutsch, liege dies an der Integrationsfeindlichkeit hierzulande.

Sarrazin selbst ist übrigens ein Beispiel für gelungene Integration. Seine Vorfahren waren südfranzösische Hugenotten. Der vater zweier Kinder hat englisches, italienisches und slawisches Blut in den Adern und nennt sich einen "europäischen Bastard". Der Arztsohn aus dem westfälischen Recklinghausen studierte nach der Schule Volkswirtschaft und begann eine klassische Ministerialkarriere, die er mit dem Senatorenposten in Berlin krönte.

Jetzt ist Sarrazin am Ende seiner Karriere angelangt. Vielleicht kann er deswegen so unbeschwert und doch direkt über seine Sicht der Dinge sprechen. Die Leser können sich ab dem 30. August auf 464 Seiten überzeugen. Dann erscheint "Deutschland schafft sich ab".

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