Ein Jahr nach schwerem Unglück Johann Traber junior feiert Comeback auf dem Seil

München (RPO). Emotionales Comeback für den vor einem Jahr schwer verunglückten Hochseilartisten Johann Traber junior: Kurz bevor er auf der Münchner Theresienwiese am Sonntag mit seinem Vater wieder auf das Drahtseil stieg, kamen ihm Tränen. Als er sich von seiner Mutter Maria-Vera verabschiedet, liegt er ihr in den Armen und schluchzt.

 Johann Traber junior bestieg mit seinem Vater in München wieder das Hochseil.

Johann Traber junior bestieg mit seinem Vater in München wieder das Hochseil.

Foto: ddp, ddp

Der 23-Jährige trägt an diesem Tag dieselben roten Schuhe wie im Mai 2006, als er in Hamburg aus 52 Metern Höhe abgestürzt und mit dem Kopf an einen Stahlmast geprallt war. Mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen, Knochenbrüchen und inneren Verletzungen lag der Sohn der bekanntesten deutschen Artistenfamilie danach sechs Wochen lang im Koma. Nach einer langwierigen Rehabilitation lernt er immer noch Sprechen und Gehen.

"Ich bin ein Kämpfer", sagt Johann Traber junior vor seinem Auftritt und betont, er sei ganz und gar nicht aufgeregt. Diesen Tag habe er herbeigesehnt. "Das ist mein Comeback, ein Richtiges, schöner geht es nicht", schwärmt er. Gemeinsam mit seinem Vater will er dessen eigenen Geschwindigkeitsrekord mit einem Motorrad brechen und auf 280 Metern Stahlseil nur auf dem Hinterrad fahrend schneller als 58 Stundenkilometer sein. Johann junior wird dabei als Gegengewicht auf einem Trapez unterhalb der Maschine sitzen. Der Vater gebe ihm Sicherheit: "Ich kenne meinen Vater, und er kennt mich. Wir vertrauen uns blind".

Vater Johann führt die 200 Jahre alte Hochseiltradition der Familie Traber gemeinsam mit seinen beiden Brüdern fort und hält zahlreiche Weltrekorde. Sein Sohn steht schon seit seinem fünften Lebensjahr auf dem Seil. Die Idee für das Comeback sei allein von seinem Sohn ausgegangen, betont Traber senior. "Das kommt alles von ihm", sagt der 53-Jährige. Johanns Unfall sei für ihn das Schlimmste gewesen. Sein Sohn habe unglaubliches Glück gehabt. "Wir haben gehofft und gewünscht, dass er wieder gesund wird, aber nicht geglaubt", sagt Traber.

Kurz vor dem Rekordversuch gibt der Schaustellerveteran vor seinem Wohnwagen routiniert Interviews für die zahlreichen Kamerateams, spielt mit dem Familiendackel und überlässt seinem Sohn die Bühne. "Mein Versuch ist nur ein Versuch. Das wichtigste ist, das mein Sohn heute wieder im Trapez sitzt", sagt Traber. Zwar freue er sich, seinen Sohn nach gelungenem Auftritt in die Arme nehmen zu können, nervös sei er aber trotzdem: "Meine Nerven sind gespannt wie meine Drahtseile."

Auch Mutter Maria-Vera ist nicht ganz wohl, ihr kann man es ansehen. Sie schaue normalerweise nie hin, wenn ihre Familie auf dem Seil steht, sagt sie. Beim Comeback von Johann junior werde sie aber direkt am Seil stehen: "Ich will versuchen, mutig zu sein, meinem Sohn zuliebe". Sie begleitet ihren Sohn zum Startpunkt, umringt von Kameras und Schaulustigen.

Nachdem die zahlreichen Helfer Johann junior auf dem Trapez festgeschnallt haben und sein Vater die Maschine bestiegen hat, geht es los. Knatternd rast Traber das Stahlseil hinauf und reißt das Vorderrad seiner Maschine in die Höhe. Der Rekordversuch gelingt gleich beim ersten Mal, Tempo 59 ergibt die Messung der Polizei. Die Zuschauer applaudieren. "Nicht mal ein Gesunder schafft das einfach so", lacht Johann junior und sagt, er fühle sich "einfach spitze".

Die Mutter ist sichtlich erleichtert, der Vater überglücklich: "Als ich heruntergeschaut und gesehen habe, wie mein Junge den Menschen zugewunken hat, da habe ich gewusst: er ist zurück im Leben."

(afp)
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