"Ich weiß, dass es nicht richtig war" Charité-Krankenschwester gesteht Mord an vier Patienten

Berlin (RPO). Die wegen sechsfachen Mordes angeklagte Krankenschwester aus der Berliner Charité hat gestanden, vier Patienten getötet zu haben. Sie äußerte gegenüber den Angehörigen ihr Bedauern und betonte, im Sinne der sterbenskranken Patienten und letztlich zu deren Wohl gehandelt zu haben.

 Irene B. legte vor Gericht ein Teilgeständnis ab.

Irene B. legte vor Gericht ein Teilgeständnis ab.

Foto: ddp

In ihrem grauen Jackett, mit kurz geschnittenem Haar und moderner Brille macht Irene B. den Eindruck einer selbstbewussten Frau. Die Stimme der wegen mehrfachen Mordes angeklagten ehemaligen Charité-Krankenschwester ist leise, aber sicher, als sie dem Richter am Berliner Landgericht am Mittwoch am ersten Prozesstag sagt: "Ich bedauere, mit meiner Hand in das Schicksal von Menschen eingegriffen zu haben. Ich weiß, dass es nicht richtig war, und dass ich dafür büßen muss." Der "Glaube an Gott" helfe ihr, die Sache "so gut wie möglich zu bewältigen", erklärte Verteidiger Mirko Röder zuvor im Namen der 54-jährigen Angeklagten.

In dem Prozess ist Irene B. angeklagt, zwischen Juni 2005 und Oktober 2006 sechs Schwerkranke im Alter zwischen 48 und 77 Jahren auf der kardiologischen Intensivstation der Charité mit einer Überdosis eines blutdrucksenkenden Mittels getötet zu haben. Zwei weitere Patienten, die ebenfalls von ihr dieses Medikament injiziert bekamen, konnten entweder reanimiert werden oder starben an einer anderen Erkrankung. Die Anklage geht hierbei von Mordversuch aus.

"Herrscherin über Leben und Tod"

Die Krankenschwester habe sich als "Herrscherin über Leben und Tod" aufgespielt und dabei ihre eigenen "Vorstellung von lebenswertem und -unwertem Leben" zugrunde gelegt, heißt es in der Anklage. Dem Staatsanwalt zufolge handelte die Frau aus "Heimtücke" und "niedrigen Beweggründen".

In der vom Anwalt der Frau verlesenen Erklärung legte die Frau ein Teilgeständnis ab. Sie gibt zu, vier schwerkranke Patienten in der Zeit von August bis Oktober 2006 getötet zu haben. Alle weiteren Taten bestreitet sie. Gleichzeitig äußerte sich die Frau erstmals zum Motiv. Sie habe geglaubt, dass ihr Handeln dem Willen der Patienten entsprach und dies "zu ihrem Wohl geschah".

Vor Gericht bat die Angeklagte die Angehörigen der Opfer um Verzeihung. Sie bedauerte, "nicht rechtzeitig den Weg zum Klinikdirektor gefunden" und durch ihr Handeln dem Ansehen der Charité geschadet zu haben. Irene B. hatte zehn Jahre auf der Intensivstation der Charité gearbeitet.

"Merkwürdigkeit" mitbekommen

Nach Aussagen von Zeugen hatte es seit August 2006 auf der Station Gerüchte über das Verhalten der Schwester gegeben. Im Zusammenhang mit dem Tod eines 77-Jährigen hatte ein 42-jähriger Krankenpfleger eine "Merkwürdigkeit" mitbekommen. Erst nach seinem Urlaub Anfang Oktober teilte er seinen Verdacht dem Stationsarzt mit. Unterdessen waren drei weitere Menschen, die Irene B. betreut hatte, gestorben. Daraufhin war sie festgenommen worden.

"Ich hatte Angst, dass ich jemanden unschuldig anklage", begründete der Pfleger vor Gericht sein wochenlanges Schweigen. Er hatte beobachtet, wie Irene B. dem 77-Jährigen "etwas in den Arm spritzte". Zudem habe er hinter einem Vorhang stehend das Geräusch einer zerbrechenden Ampulle und das Aufziehen der Spritze gehört. Das Glasröhrchen habe er dann im Mülleimer gefunden und an sich genommen. Normalerweise würden die Spritzen außerhalb des Patientenzimmers aufgezogen, sagt der ehemalige Kollege der Angeklagten. Er habe das "komisch" gefunden.

Ein 35 Jahre alter Pfleger bezeichnete Irene B. als eine "dominante" Kollegin, mit deren "Art nicht alle zurechtkamen". Ihm sei aufgefallen, dass sich die geschiedene und kinderlose Frau "sehr verändert" und sich gegenüber Patienten "unsanft" verhalten habe. Einmal habe er beobachtet, dass sie die Reanimation eines Patienten verzögerte. Ein anderes Mal habe sie über den Tod eines Patienten "schallend gelacht".

Der Direktor der Berliner Charité ist für den 2. Mai als Zeuge geladen. Der Prozess gegen die Krankenschwester wird am Mittwoch kommender Woche fortgesetzt.

(afp)
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