Psychologie Warum wir nie sehen, was andere uns zeigen

Würzburg · "Da, hast du das gesehen?" "Was?" "Na, das!" – Wie missverständlich ein Fingerzeig sein kann, hat jeder schon einmal erlebt. Warum aber sehen wir oft einfach nicht, was andere uns zeigen wollen? Forscher der Universität Würzburg haben es herausgefunden.

Schon im Kindesalter beginnen die Missverständnisse durch Zeigen - nie sieht man das, was man sehen sollte.

Schon im Kindesalter beginnen die Missverständnisse durch Zeigen - nie sieht man das, was man sehen sollte.

Foto: Shutterstock/wavebreakmedia

"Da, hast du das gesehen?" "Was?" "Na, das!" — Wie missverständlich ein Fingerzeig sein kann, hat jeder schon einmal erlebt. Warum aber sehen wir oft einfach nicht, was andere uns zeigen wollen? Forscher der Universität Würzburg haben es herausgefunden.

Der eigene Betrachtungspunkt liegt beim Fingerzeig höher (A) als der eines Außenstehenden (B).

Der eigene Betrachtungspunkt liegt beim Fingerzeig höher (A) als der eines Außenstehenden (B).

Foto: Uni Würzburg/Herbort

Er zeigt ihr den sternenklaren Nachthimmel, erklärt mit einem Fingerzeig wo sie den Bärenhüter sehen kann oder wo der große Waagen strahlt. Doch sie sieht nur Sterne und keine Bilder. Andere Situation. Zwei Freunde gehen die Straße entlang, einer sagt: "Das Schild da hinten ist ja seltsam." Der andere sieht es nicht, woraufhin ersterer sagt: "Na das da!", die Person streckt den Zeigefinger aus. Doch die andere Person findet das Schild einfach nicht. Liegt das an der Beziehung zwischen den beiden?

Nein, sagt der Psychologe Dr. Oliver Herbort von der Universität Würzburg. Er weiß nämlich, was zwischen diesen Paaren schief läuft: "Zeigegesten werden oft fehlinterpretiert. Das kann man zum Beispiel bei Kleinkindern und ihren Eltern beobachten." Denn schon bei den Kleinen beginnt das Forschen mit dem Fingerzeig. "Da", sagt das Kind, das gerade erst sprechen lernt und deutet in Richtung eines umherflatternden Schmetterlings. Den nimmt die Mutter wahr und bestätigt freudig: "Ja, ein Schmetterling." Das Kind aber meinte die Blumen darunter. Das Leben scheint aus dieser Perspektive betrachtet eine Anhäufung von Missverständnissen zu sein, die Oliver Herbort mit seiner Studie ein Stück weit aufklärt.

Wie Menschen zeigen und wie sie hinschauen

In einer Studie fand er heraus, wie Menschen auf etwas zeigen. Dazu traten jeweils zwei Versuchsteilnehmer gegeneinander an. Sie bekamen jeweils die Anweisung, auf die Stelle zu zeigen, auf die der andere Teilnehmer gerade gezeigt hat. Den Teilnehmern ist dabei unbekannt, dass sie beide diese Handlungsaufforderung erhalten haben. In dem Video, das der Wissenschaftler aufzeichnete, wird das Problem schnell sichtbar: Die Fingerspitzen der Zeigenden klettern immer höher, denn sie zeigen nie auf denselben Punkt. Ihre an der Wand emporkletternden Fingerzeige sind eine Aneinanderreihung gegenseitiger Missverständnisse. Hier bekommen Sie einen Eindruck von dem Experiment:

Was steckt dahinter? "Wir zeigen nach geometrischen Regeln. "Diese aber unterscheiden sich von den geometrischen Regeln, die zur Interpretation von Zeigegesten herangezogen werden", erläutert Psychologe Oliver Herbort. Derjenige, der auf etwas deutet, bringt aus seiner Perspektive die Fingerspitze auf eine Linie, mit seinem Auge und dem Objekt. Wer nun dem Zeigefinger des anderen mit seinem Blick folgt, der schaut schlicht und ergreifend zu hoch. Der Grund: Seine Perspektive ist eine andere. Der Adressat nimmt die zeigende Person mit ins Bild und verlängert die Linie, die sich aus dessen Schulter, Arm und Zeigefinger ergibt.

Was sollte man beim Zeigen also anders machen?

Die Antwort auf diese Frage hat Herbort nach seinem Experiment parat: "Man sollte sich bewusst sein, dass mit Zeigegesten nicht alles getan ist und darum auch die Sprache als zusätzliche Informationsquelle nutzen", sagt Herbort. Für den Zeigenden heißt das also: Nicht nur den Finger nach vorn nehmen, sondern auch beschreiben, was man sieht. Zudem kann es hilfreich sein, einfach etwas tiefer zu deuten, als einem selbst richtig erscheint. Für den Beobachtenden hingegen gibt der Forscher den Tipp: Nicht nur stumm schauen, sondern "im Zweifelsfall lieber einmal nachfragen, ob man die Zeigegeste richtig interpretiert", sagt der Psychologe.

(wat)
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