About a Boy Get a Room!

Düsseldorf · Unser Kolumnist sieht sich Filme an, in denen Jugendliche zu viel knutschen und deshalb in ein Zimmer gehen sollen. Außerdem erklärt er eine Lektion fürs Leben.

 Und nun geh meine Hose waschen!

Und nun geh meine Hose waschen!

Foto: Universal

An einigen Abenden im Jahr lehne ich es ab, anspruchsvolle Filme zu gucken. Am Ende von anspruchsvollen Filmen stirbt immer ein Mensch oder eine Liebe oder ein Ideal, außerdem ist der Himmel bewölkt. Das ertrage ich an manchen Tagen nicht. Dann sehne ich mich nach einem Genre, das einen schlechteren Ruf hat als der Heimatfilm: die amerikanische High-School-Komödie. Das sind diese Filme wie "American Pie" , in denen der schwitzende Mathe-Nerd am Ende seine Jungfräulichkeit an das schönste Mädchen der Stadt verliert ("Weißt du, Dirk, du bist der erste, der auch meine inneren Werte sieht").

Mein besonderes Interesse gilt den Partys, die in diesen Filmen gefeiert werden. Sie finden immer bei jemandem statt, dessen Eltern gerade verreist sind (in 50 Prozent der Fälle kehren die Eltern vorzeitig zurück und zwar in dem Moment, in dem gerade das Haus in Flammen steht) und sie erstrecken sich über das ganze Haus inklusive Badezimmer, Auffahrt und Pool. Es gibt immer einen Pool. Das Partypersonal umfasst die Footballer, die Metaller, die Rapper, die Loser, die Cheerleader, die Gothic-Mädchen. Alle trinken und tanzen. Überall. Ich wünschte, ich hätte selbst eine solche Party erlebt, aber so etwas gibt es in Deutschland nicht. Ich feierte immer ausschließlich im Wohnzimmer, und alle saßen an einem Tisch.

Küssen wie Kannibalen

Während einer solchen Partyszene ist es wichtig, dass der folgende Satz mindestens einmal fällt, erst er macht eine Teenagerkomödie zur Teenagerkomödie. Er lautet: "Get a room!" Zu deutsch: "Leute, nehmt euch gefälligst ein Zimmer."

Dieser Satz bedeutet oberflächlich betrachtet nur das: Ihr macht so derbe rum, dass es unerträglich für die anderen ist. Der Film unterstreicht diese Aussage, indem die beiden Verliebten sich küssen wie Kannibalen. In einem viel grundsätzlicheren Sinne bedeutet der Satz aber etwas ganz anderes: Du hast es geschafft. Du hast jemanden, mit dem du rummachen darfst. Die Leute, die dir befehlen, ein Zimmer zu nehmen, haben so jemanden tendenziell nicht. Was sie also als Ekel tarnen, ist in Wahrheit Neid. Denn Dinge, die ekelhaft sind, fotografiert man mit dem Handy und lädt sie bei Facebook hoch. Dort aber sind selten knutschende Pärchen zu sehen.

Der Satz "Get a room" erzählt also die Geschichte von dem, der Glück hat, und dem, den das Glück des anderen stört, weil er selbst nicht glücklich ist. Diese Geschichte erteilt drei Lektionen. Dem Küssenden, dass er sich nicht um die anderen scheren soll. Dem Schimpfenden, dass Glück meist das Glück der anderen bedeutet. Die dritte Lektion aber ist die wichtigste: Glück ist nur in begrenzter Menge vorhanden, so wie Bücher in der Leihbibliothek. Wenn einer glücklich sein will, muss ein anderer erst sein Glück abgeben.

Das klingt nun aber doch wieder wie einer dieser Filme, in denen es die ganze Zeit bewölkt ist.

(seeg)
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