About a Boy Hass das!

Düsseldorf · Ein 24-jähriger Typ mit langen Haaren und riesiger Sonnenbrille hat mit schrottreifen Elektro-Sounds die USA erobert und fünf Grammy-Nominierungen geholt. Im Februar spielt Skrillex auch in Deutschland in ausverkauften Hallen. Dabei steht sein Debütalbum noch aus. Wie konnte das passieren?

 Dieser Mann wird Sie in diesem Jahr verfolgen.

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Foto: Foto: Ethan Saks

In einigen Wochen wird ein Mann mit viel zu großer Hornbrille nach Deutschland fliegen. Seine langen, schwarzen Haare hat er auf die rechte Seite gekämmt, seine Haut ist blass und porig. Dieser Mann heißt Sonny John Moore, ist 24 Jahre alt, kommt aus Los Angeles und wird Ende Februar unter dem Namen Skrillex sechs Konzerte geben. Der Elektro-Musiker hat bisher nur EPs herausgebracht, aber kein Album, und doch sind die Konzerte in Köln und Frankfurt bereits ausverkauft. Die Konzerte in Berlin und Hamburg wurden in größere Hallen verlegt. Der Rapper Kanye West lobt ihn, die BBC hat ihn zu einem der fünf vielversprechendsten Newcomer 2012 gewählt, und im November ist er für fünf Grammys nominiert worden.

All das hat er mit einem plakativen Techno-Sound erreicht, der nur zwei Reaktionen zulässt: Komplett abzugehen oder sich die Ohren abzureißen. Du liebst ihn oder du hasst ihn. Dazwischen ist kein Platz. Die Website der englischen Tageszeitung "The Guardian" fragte bereits vor zwei Monaten: "Is Skrillex the most hated man in dubstep?"

Was an ihm lässt sich nicht hassen?

Skrillex zu hassen ist einfach. Es ist sogar sehr schwer, irgendwas an ihm zu finden, das sich nicht augenblicklich hassen ließe. Dazu muss er nicht mal einen Song spielen, dazu muss er bloß zu sehen sein. Seine langen, schwarzen Haare, die dicke Brille, der Ohrring, der aussieht wie ein Mühle-Stein, lassen ihn wirken wie eines dieser Emo-Kids, die den ganzen Tag "My Chemical Romance" hören und ihre Schulhefte mit Manga-Comics bemalen. Es gibt eine Website mit dem hübschen Namen "Lesbians Who Look Like Skrillex". Das Outfit ist kein Zufall, denn Sonny war 16, als er Sänger der Emo-Band "From First To Last" wurde. Ungefähr zum selben Zeitpunkt fand er heraus, dass er adoptiert war und es alle wussten. Bloß er nicht. Das sorgte nicht gerade für gute Gefühle und farbenfrohe Pullover. Drei Jahre später verließ er die Band, machte alleine weiter und wurde allmählich zu Skrillex. Er begann, jene Musik zu machen, die ein Journalist so beschrieb: "Not elegant, deep, or moving, but very easy to get a thrill out of."

Für seine Gegner ist Skrillex nichts weniger als der Typ, der Dubstep getötet hat. Ein Online-Kritiker schrieb: "His music makes me want to pull his face off." Dubstep, erfunden in Großbritannien, ist Clubmusik mit harten Brüchen und tiefen Bässen, Musik, zu der sich nicht wirklich einfach tanzen lässt, weil sie so komplex ist, in etwa so wie Mathematik. Sie hat deshalb auch keine Stars hervorgebracht, die es über ihre Szene hinaus geschafft hätten. In den USA hatten es Dubstep-Musiker lange Zeit schwer — bis Skrillex kam. Er erfand einfach seine Version des Dubsteps. Die ist so offensichtlich, dass sogar betrunkene College-Kids sie verstehen.

Ein Geräusch wie eine Kettensäge

Es ist Musik, bei der sich niemand Gedanken machen muss, wie er dazu tanzt. Er kann einfach ausrasten. Skrillex' Dubstep ist Rave-Musik. Und sie ist immer gleich aufgebaut. Es beginnt mit einer Melodie, dann setzt der Bass ein und dann kommt etwas, das klingt wie eine Mischung aus E-Gitarre und Kettensäge, ein wirklich furchtbares Geräusch, das aber den Höhepunkt des Ausrastens markiert. Danach geht es wieder von vorne los. Und wieder ausrasten. Brostep nennen das die Kritiker, zu denen sich der Autor dieses Artikels auf jeden Fall zählen möchte, und mit Bro meinen sie die frat boys, die männlichen Mitglieder amerikanischer Studentenverbindungen, die auf ihren Partys diese Musik hören. Auf Konzerten von Skrillex, sie sind immer voll, geht es zu wie auf einem Rave oder beim Spring Break. Denn was seine Feinde hassen, ist genau das, was seine Fans lieben: diesen völlig unsubtilen Zugang zu elektronischer Musik, die ungefähr so flach ist wie Nu-Metal und ungefähr genauso wenig die Männlichkeit der Hörer in Frage stellt. Es passt deshalb, dass Skrillex auf dem neuen Album der Band "Korn" mitgearbeitet hat. Skrillex' Musik ist im Grunde Metalmusik mit den Mitteln der Elektronik.

Trotz seiner Popularität ist es möglich, noch nie etwas von diesem Skrillex gehört zu haben. Weder den Namen, noch einen Song. Das liegt nicht nur daran, dass die Musik vor allem auf unter 25-Jährige abzielt, sondern auch, dass Skrillex noch keinen Hit hatte, der im Radio rauf- und runtergespielt wurde. Das aber wird bald passieren. Spätestens wenn sein Debütalbum erscheint, wird niemand mehr der elektrischen Kettensäge entgehen können. Dann müssen sich alle entscheiden: Lieben oder hassen? Es ist eine Entscheidung, die höchstens zehn Sekunden beansprucht.

(seeg)
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