Vor- und Nachteile erklärt Was die Ganztagsschule bringt

Erkrath/Jüchen · Vor zehn Jahren haben die Schulen in NRW begonnen, Ganztagsangebote zu konzipieren. Welche Vor- und Nachteile die unterschiedlichen Formen für die Kinder bringen, haben uns Schüler von einer gebundenen und einer offenen Ganztagsschule erzählt.

NRWs Schulsystem 10/11 in Zahlen
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Foto: AP

Es ist 12.45 Uhr im Gymnasium am Neanderthal in Erkrath. Die zwölfjährige Mariesol und ihre Freundinnen kommen gerade vom Mittagessen in der Mensa, nachher haben sie noch Sportunterricht und Religion. Dreimal pro Woche endet der Unterricht für alle Schüler der fünften bis siebten Klassen um 15 Uhr. Danach gibt es bis mindestens 16 Uhr AGs wie etwa die Schach AG, in der Mariesol ist, oder die Ruder-, die Basketball- oder Medien-AG. "Es ist oft ein langer Tag, aber es ist für mich so, als würde man sich länger mit Freunden treffen", sagt Mariesol. Auch nach dem Unterricht wartet auf die Leistungssportlerin ein straffes Programm. Sie hat viermal die Woche Training in Fußball und Leichtathletik. "Das ist aber besser, als zu Hause zu sitzen", sagt sie.

Wie Mariesol besuchen insgesamt 20 Prozent der Schüler in Nordrhein-Westfalen eine Schule mit gebundenem Ganztagsunterricht. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung attestiert dieser Schulform ein hohes Potenzial, soziales und kognitives Lernen besonders gut zu fördern. "Die gebundene Ganztagsschule bietet gegenüber der offenen Ganztagsschule die besseren Rahmenbedingungen, um jedes Kind individuell zu fördern", sagt Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Eine solche offene Ganztagsschule besuchen knapp elf Prozent der NRW-Schüler. Der neunjährige Fabian aus Jüchen ist einer davon. "Montags habe ich Klavier, donnerstags gehe ich zu den Umweltagenten, freitags spiele ich Tennis", sagt der Drittklässler. Diese Aktivitäten hat er sich für dieses Schuljahr aus dem Angebot der Grundschule In den Weiden ausgesucht — er geht ihnen nach, wenn die Hälfte seiner Mitschüler schon zu Hause ist.

Im Gegensatz dazu bleiben bei Mariesol im gebundenen Ganztag alle Schüler auch am Nachmittag in der Schule. Die heutige siebte Jahrgangsstufe war die erste Stufe, in der Ganztagsunterricht eingeführt wurde. Im Schuljahr 2009/10 stellte das Gymnasium auf den gebundenen Ganztag um. "Der Bedarf dafür war bei den Eltern vorhanden. Und die Lehrer waren alle damit einverstanden", sagt die stellvertretende Schulleiterin Beate Gorgels. Die Eltern der meisten Schüler des Erkrather Gymnasiums sind wie Mariesols Vater und Mutter ganztägig berufstätig. "Es ist deshalb sinnvoll, wenn man länger an der Schule bleibt und alles erledigt hat, wenn man nach Hause kommt", sagt Mariesol. Die Lehrer des Gymnasiums achten darauf, dass die Kinder auch individuell gefördert werden. Ein Grund für die Einführung des gebundenen Ganztags war neben der doppelten Berufstätigkeit vieler Eltern "der Pisa-Schock", sagt Ganztagskoordinator Herbert Griesmann. Bei den Schulleistungsuntersuchungen im Jahr 2000 schnitten die deutschen Schüler im internationalen Vergleich sehr schlecht ab. "Mit den Angeboten und Strukturen des gebundenen Ganztags können wir auf dem Weg zum Abitur den Hebel ansetzen", sagt Griesmann. Sein Fazit nach drei Jahren: Die schulischen Leistungen der Kinder verbesserten sich, und die Sozialkompetenz nehme zu.

Diesen Eindruck hat auch die stellvertretende Schulleiterin Brigitte Sokolewski, die in Jüchen den offenen Ganztag anbietet: "Die Kinder profitieren im sozialen Bereich. Nicht nur im Leistungsaspekt, sondern eben auch im Umgang miteinander." Das wirke sich positiv auf den Schulbetrieb aus. Fabian ist eines von rund 130 Kindern der Schule, die an den Angeboten teilnehmen. Zwischen Unterricht, Mittagspause und Arbeitskreisen erledigt der Neunjährige seine Hausaufgaben. Ein Team aus elf pädagogischen Fachkräften und zwei Küchenkräften betreut täglich bis 16.30 Uhr jahrgangsübergreifend die angemeldeten Schulkinder. Die Eltern schätzten das Angebot, sagt Sokolewski. "Viele Eltern geben ihre Kinder in die Ganztags-Betreuung, obwohl sie nachmittags Zeit hätten", so die Leiterin. Fabian findet es nicht schlimm, so lange in der Schule zu sein. "Hier habe ich viele Freunde und viel mehr Spielzeug als zu Hause", sagt er. Und: "Wenn ich nach Hause komme, kann ich abends noch Fußball spielen."

(RP/sap)
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