Dinslaken Hertie brummt — zu spät

Dinslaken · Durch den Ausverkauf ist der Umsatz im Dinslakener Kaufhaus um bis zu 300 Prozent angestiegen. Hellmich sieht sich durch den Zuschlag für den Böckler-Platz in einer besseren Verhandlungsposition für den Kauf der Immobilie.

Hertie und Karstadt in der Geschichte
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Die 45 Hertie-Mitarbeiter in Dinslaken durchleben eine paradoxe Zeit: Sie wissen um das sichere Ende des Kaufhauses, kennen aber den Schließungstermin nicht, haben noch immer keine Kündigung bekommen — und meistern einen Ansturm, wie Hertie ihn selbst zu Weihnachten in den vergangenen Jahren nicht kannte: Durch den Abverkauf mit hohen Preisnachlässen ist der Umsatz, so ist zu hören, um bis zu 300 Prozent gestiegen. Die Warenreserven reichen nach Angaben aus dem Kaufhaus voraussichtlich noch bis Ende Juli, vielleicht auch noch bis Mitte August.

"Wir erwarten die Kündigung für nächste Woche", sagte Geschäftsleiter Markus Kimpel und fügte hinzu: "Ich habe einen Riesenrespekt vor meinen Mitarbeitern. Sie zeigen psychisch und physisch eine enorme Leistung." Und sie sind zornig auf den Eigentümer des Hertie-Hauses, das britische Unternehmen Dawnay Day. Bei dem selber insolventen Investor sei das blanke Chaos ausgebrochen, heißt es aus der Hertie-Belegschaft. Von den Untermietern im Kaufhaus, von denen bislang nur das Nagelstudio schon ausgezogen ist, würde nicht einmal mehr Miete verlangt.

Die Firma BNP Parisbas Real Estate, vormals Atisreal, vermarktet für Dawnay Day die Hertie-Häuser. Bei den Immobilienberatern in Berlin herrscht eine neue Zurückhaltung. Bislang rechnete Christoph Meyer, Mitglied der Geschäftsführung, fast immer vierzehntäglich mit Vertragsabschlüssen. Jetzt wagt er für Dinslaken gar keine Prognose mehr. Für Walsum, wo Meyer bessere Chancen erkennt, glaubt er an keinen Verkauf innerhalb des nächsten Vierteljahres, wie er der RP sagte.

Das Thema Hans-Böckler-Platz will Meyer jetzt mit den Interessenten für das Hertie-Haus besprechen. Bekanntlich hat der Dinslakener Unternehmer Walter Hellmich das 20 bis 30 Millionen teure Bauprojekt für ein Einkaufszentrum auf dem Böckler-Platz sicher. Inwiefern diese Entwicklung Einfluss auf die Investorengespräche für Hertie hat, wollte Meyer nicht einschätzen, er sagte nur: "Es hat keine nachteilige Auswirkung."

Unternehmer Walter Hellmich, für eine Innenstadtentwicklung aus einer Hand auch am Hertie-Haus interessiert, sieht sich durch den Böckler-Zuschlag in einer besseren Position gegenüber BNP Paribas Real Estate. "Jetzt können wir ganz anders verhandeln. Denn wenn ein anderer den Zuschlag für Hertie bekommt, kriegt es die Immobilienfirma mit vielen Reibungspunkten zu tun", sagte Hellmich der RP. Andererseits erkennt er auch, dass beim Eigentümer Dawnay Day letztlich allein ein Kriterium eine Rolle spielt: "Die sind nur am Geld interessiert. Wer am meisten bietet, dem geben die das Kaufhaus."

Für Hertie in Walsum, das längst leer steht, ist Hellmich nach längerem hin und her wieder einer der ersten Gesprächspartner von Christoph Meyer in Berlin. Für das Haus am Kometenplatz plant Hellmich einen Abriss samt umliegender Gebäudeteile, wodurch er es neben Dawnay Day mit einem guten Dutzend Eigentümern zu tun bekäme. Andere Investoren sind wegen der Gemengelage angeblich abgesprungen. "In den nächsten Tagen werden wir Kontakt mit den Eigentümern aufnehmen", kündigte Hellmich an. Er plant ein neues Warenhaus — "etwas Zukunftsweisendes, zurzeit ist das alles nicht attraktiv" — mit Edeka als Hauptbetreiber sowie kleineren Shops.

(RP)
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