Ratgeber So wandern Sie sicher im Gebirge

München/Bad Heilbrunn · Viele wollen hoch hinaus: Das gilt auch im Gebirge und vor allem in Zeiten von Social Media. Wer sicher in den Bergen wandern will, sollte die Gefahren kennen - und sich selbst.

 Ein Blick über die idyllische Landschaft des Dahner Felsenlandes im Pfälzerwald an der Grenze zu Frankreich.

Ein Blick über die idyllische Landschaft des Dahner Felsenlandes im Pfälzerwald an der Grenze zu Frankreich.

Foto: dpa, zeh

Im Sommer verbringen Millionen ihren Urlaub in den Bergen und kehren meist erholt und zufrieden zurück. Doch jedes Jahr enden auch einige Touren unglücklich - in harmlosen Fällen mit einem gebrochenen Knöchel im Krankenhaus, im schlimmsten Fall im Leichensack. Im Gebirge lauern objektive Gefahren: Unwetter, schwieriges Gelände. Und es gibt subjektive Risiken: schlechte Planung, mangelnde Erfahrung, Selbstüberschätzung. Wenn etwas schiefgeht, kommt oft beides zusammen.

"Die meisten tödlichen Unfälle entstehen ganz banal durch Stolpern", sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV). Das zeigen die Unfallstatistiken. Ein Wanderer ist auf einem abschüssigen Weg unterwegs, knickt um, stolpert und stürzt ab - dieses Szenario kommt immer wieder vor. Und es ist nicht nur böser Zufall.

"Es gibt meist eine gewisse Historie, bis man stolpert", sagt Bucher. Der Verunglückte hat eine zu lange und anspruchsvolle Tour gewählt, war nicht fit genug, wurde müde und unaufmerksam. Und dann passiert es. Meist endet das Stolpern zwar nicht tödlich. "Aber wenn ich zwei Gehstunden vom Tal entfernt bin und mir den Fuß verstauche, muss trotzdem der Heli kommen", betont der Experte.

Die Einsätze der Bergrettung haben in den vergangenen Jahren laut DAV zugenommen. Das liegt nicht so sehr an lebensgefährlichen Unfällen, sondern an leichten Verletzungen. Häufiger geworden sind auch die sogenannten Blockierungen: Der Wanderer kommt aus Erschöpfung, Panik und Angst nicht mehr vor und zurück. Diese Situation tritt oft in Klettersteigen auf, die den Urlauber plötzlich überfordern.

Ein weiterer häufiger Grund für den Tod in den Bergen ist schlicht Herz-Kreislauf-Versagen. Wer nicht regelmäßig in den Alpen wandert und vielleicht schon etwas älter ist, sollte sich vor dem Urlaub von einem Arzt durchchecken lassen. "Gefährlich wird es, wenn Leute, die nicht fit sind, ins Gebirge gehen, um dort fit zu werden", sagt Michael Lentrodt, Präsident des Verbands deutscher Berg- & Skiführer (VDBS). Er rät, Grundfitness in die Berge mitzubringen.

Entscheidend für einen sicheren Tag im Gebirge ist die richtige Tourenplanung. Wer Wiedereinsteiger ist, sollte leichte und kurze Routen wählen. "Das Ziel sollte dann kein Gipfel, sondern eine Hütte oder Alm sein", rät Bucher. Wanderwege gliedern sich von leicht bis anspruchsvoll in rote, blaue und schwarze Routen. Damit sollte sich der Wanderer schon zu Hause befassen. Nicht einfach losgehen.

Wichtig ist die zeitliche Planung. "Immer großzügige Pufferzeiten und Pausen einplanen", mahnt Bucher. "Wenn es schon dunkel wird und man in Stress gerät, kommt es häufig zu Unfällen." Außerdem Pflicht: vor jeder Wanderung den Wetterbericht prüfen. Sind für den Nachmittag Gewitter angesagt? Dann morgens lieber eine Stunde früher als später losgehen. Und im Zweifel unterwegs umkehren.

Material für die Tourenplanung gibt es genug. Bucher rät zu einem Wanderführer eines etablierten Verlags. Wer Tourenportale im Internet nutzt, verlässt sich am besten nicht allein auf die Angaben einer einzelnen Quelle. Touristeninformationen im Ort, das Hotel oder die Pension und der Hüttenwirt können ebenfalls weiterhelfen.

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"Die Informationsbeschaffung ist heute kein Problem mehr", sagt Bergführer Lentrodt. "Viele Urlauber können das Wissen nicht auf ihre persönlichen Fähigkeiten übertragen." Das größte Problem sei eine falsche Selbsteinschätzung. "Das ist über die Jahre gefühlt schlechter geworden", hat Lentrodt beobachtet, der seit mehr als 30 Jahren mit Kunden in die Berge geht.

Der VDBS-Präsident hat eine These dazu: "Der Druck auf die Leute, in den sozialen Netzwerken etwas Spektakuläres posten zu müssen, hat zugenommen. Viele wollen in kurzer Zeit unbedingt viel erleben." Auf der Hütte geblieben bei schlechtem Wetter? Wie langweilig! "Der mittelmäßige Wanderer will nach dem Wochenende vor den noch mittelmäßigeren Kollegen glänzen", spitzt Lentrodt es zu. Die richtige Ausrüstung ist dagegen kein Problem mehr, seitdem Hightech-Funktionskleidung auch im Alltag getragen wird. "Manchmal kommen Wanderer mit Topausrüstung, da merkst du, die wollen mangelndes Können und Wissen kompensieren", sagt Lentrodt.

Auch Thomas Bucher beobachtet immer wieder, wie Urlauber "die Verantwortung an die Ausrüstung delegieren". Viele hätten zu viel dabei. "Für eine Tagestour brauche ich keinen 30-Liter-Rucksack", sagt der Profi. "Mit leichtem Gepäck und passgenauer Ausrüstung macht das Wandern mehr Spaß." Dass Wanderschuhe immer über dem Knöchel abschließen sollten, stimme so nicht. In leichtem Gelände reichen einfache Trekkingschuhe. Wichtig sind eine Sohle mit gutem Profil und eine optimale Passform. Auch wasserdicht sollten die Schuhe sein.

Und was gehört in den Rucksack? Handy für den Notfall, eine kleine Erste-Hilfe-Ausrüstung, Biwaksack, Karte, Sonnenschutz in Form von Brille und Hut oder Kappe, Getränkeflasche, Proviant, Ersatzshirt, wetterfeste Jacke und ein warmes Kleidungsstück (Pullover). Wer im Frühsommer unterwegs ist, muss auf nordseitigen Touren jenseits der 2000 Meter mit großen Altschneefeldern rechnen. "Die können normale Wanderer leicht überfordern", sagt Bucher. Denn oft ist der Schnee hartgefroren und das Gelände abschüssig. "Das sollte man wirklich mit Vorsicht genießen und im Zweifel umkehren." Steinschlag sei dagegen keine typische Gefahr für Wanderer.

Zwar gibt es erfahrene Alpinisten, die regelmäßig allein in die Berge gehen. Der normale Wanderurlauber sollte jedoch besser nicht ohne Begleitung aufbrechen. "Das gilt umso mehr, je weniger Erfahrung man hat", sagt Bucher. Wandergruppen müssen stets auf den schwächsten Teilnehmer Rücksicht nehmen, besonders auf Kinder.

Der Schweizer Alpen-Club (SAC) rät zudem, immer auf markierten Wegen zu bleiben. In weglosem Gelände steigt das Risiko für Absturz und Orientierungsverlust, heißt es in einem Merkblatt der Alpenvereine.
Daher Abkürzungen durch wegloses Gelände tunlichst vermeiden.

(dpa)
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