Handball-WM 2019 Das Abschluss-Zeugnis für die deutschen Handballer
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft belegt bei der WM 2019 in Deutschland und Dänemark Platz vier. Wir haben die Leistung der Spieler bewertet und Gesamtnoten vergeben. Ein „sehr gut“ bekam keiner. Hier geht’s zu unserer Abschlussbewertung.
Andreas Wolff War gut, aber nicht glänzend. In der Vorrunde muss den Gegnern das Tor wie zugemauert vorgekommen sein. War oft einer der besten Deutschen. Gegen Russland nur Note drei, musste zu Beginn innerhalb von sieben Minuten sieben Mal hinter sich greifen. Überragend gegen Kroatien, als das Halbfinale erreicht wurde. Hielt Bälle zeitweise ballettartig. Gegen Norwegen schwach. Mit 35 Prozent Abwehrquote der Siebtbeste Keeper bei der WM. WM-Note: 2-
Silvio Heinevetter Bewies Charakter, weil er Wolff als Nummer eins akzeptiert hat. Er unterstützte den Kontrahenten, mimte den Motivator. Heinevetter hatte kaum Einsatzminuten, um Eigenwerbung zu betreiben. Wenn er kam, dann meist in undankbaren Spielsituationen. Gegen Spanien und Serbien zeigte er seine Klasse. Erzielte ein kurioses „Empty Net Goal“. Löste Wolff immer mal ab. WM-Note: 3
Uwe Gensheimer Der beste Linksaußen der Welt stellte in den zehn Spielen unter Beweis, dass er diesen Titel zu Recht trägt. War in Topform in der Gruppenphase und emotionaler Leader. Vergab nach zwölf verwandelten Siebenmetern gegen Frankreich seinen ersten des Turniers. Spielte gegen starke Gegner wie Kroatien, Spanien und Norwegen dann aber phasenweise schwächer. Viertbester Scorer mit 56 Toren (23/29 Siebenmeter). WM-Note: 2+
Martin Strobel Der Zweitligaspieler hat sein Können aufblitzen lassen: Gegen Weltmeister Frankreich machte er sein bestes Spiel mit guten Ideen für Spielzüge. Leitete und lenkte die Offensivaktionen. Bei eigenen Würfen manchmal unüberlegt. Gegen 5:1-Abwehrreihen fand er gute Passwege am offensiv agierenden Verteidiger vorbei. Wurde mehr und mehr von Paul Drux als Mittelmann abgelöst. Nach sieben Minuten gegen Kroatien bittere Diagnose: Kreuzbandriss. WM-Note: 3
Steffen Fäth Der Ausfall von Julius Kühn im Rückraum hinterließ eine Lücke, die Fäth nicht füllen konnte. Ihm fehlte oft das Selbstbewusstsein im Abschluss. Saß vermehrt auf der Bank. Ergriff zu selten die Initiative. Löste gegen Frankreich zweimal auf der Bank ungewollt den Auszeit-Buzzer aus: symptomatisch für unglückliche WM-Auftritte. Hätte gegen Island Selbstbewusstsein tanken können, doch Böhm machte es meist besser als der Mannheimer. WM-Note: 4
Steffen Weinhold War sehr beweglich, anstatt nur auf der halbrechten Angriffsseite zu kleben. Er belohnte sich und das Team gegen Brasilien mit drei Treffern in den ersten 30 Minuten. Wurde von den Abwehrspielern meist hart angegangen, hätte in einigen Situationen aber auch früher abspielen müssen. Im Turnierverlauf häufig Abstimmungsprobleme mit Rechtsaußen Groetzki. Traute sich in Eins-gegen-eins-Situationen. Hinten packte er hart zu. War später angeschlagen. WM-Note: 3+
Hendrik Pekeler Ist mit seinen 2,03-Metern nicht nur groß, sondern war auch sehr beweglich. Stand meist sicher gegen physisch starke Angreifer, baute die Kieler Mauer mit Wiencek. Er machte vorne Alarm am Kreis. War beweglich in den freien Räumen hinter den ersten Abwehrmännern der 5:1. Er beschäftigte als vorgezogener Spieler in der deutschen Abwehr die gegnerischen Offensivkräfte als wichtiger Störenfried. Sah gegen Norwegen unglücklich in Hälfte zwei Rot. WM-Note: 2-
Patrick Wiencek „Man erlebt nur einmal eine Heim-WM“, hatte der Duisburger gesagt. Dass er sein ganzes Herz in die Abwehrarbeit gelegt hat, sah man in den meisten Spielen. Hat die Defensive zusammengehalten. Am gegnerischen Kreis beschäftigte Wiencek meist zwei Verteidiger, war aber manchmal zu unbeweglich. Kehrte hinten wie ein Schneeräumdienst reihenweise Isländer ab, gegen schnelle Norweger allerdings am Limit. Sah Rot gegen Frankreich im Spiel um Bronze. WM-Note: 2
Patrick Groetzki Auf der rechten Seite meist nicht überzeugend. Nachdem Tobias Reichmann rausgeflogen war aber alternativlos. Es ging in jedem Spiel viel mehr über Gensheimer auf der linken Position. Groetzki absolvierte ein hohes Pensum, hielt die rechte Abwehrseite meist schadlos. Gegen Russland die undankbare Aufgabe, den überragenden Dibirov zu bewachen – und scheiterte dabei. Als Typ in der Mannschaft wichtig, offensiv mit viel Luft nach oben. WM-Note: 4+
Jannik Kohlbacher Wurde meist eingewechselt, um das Kreisspiel zu beleben, das gelang ihm häufig auch. Generell spielte Deutschland aber zu wenig über den Kreis. In der Abwehr ein zupackender Arbeiter und mit jedem Spiel wichtiger. Hatte mit den harten Abwehrspielern Frankreichs Probleme, blieb aber standhaft. Gegen Serbien vorne mit tollen Aktionen, kam in der zweiten Halbzeit und traf dreimal in Folge. Wurde zum Spieler des Spiels gewählt. Fügte sich immer gut ein. WM-Note: 2-
Fabian Wiede Wurde mit jedem WM-Duell besser und wichtiger für das DHB-Team. Traf vorne oftmals aus schwierigen Spielsituationen. Entwickelte immer mehr Mut. Bewies in seinen Spielaktionen stets Köpfchen und Spielintelligenz. Wiede traf ab und an falsche Entscheidungen, spielte auch auf den Außenmann, wenn der Kreis blank war – oder umgekehrt. Wuchs in die Rolle von Strobel hinein und wurde ins All-Star-Team der WM gewählt. WM-Note: 2+
Fabian Böhm Musste in das Turnier hineinfinden. Steuerte aber in den wichtigen K.o-Spielen stets Tore bei, wenn das deutsche Team drohte, Führungen zu verspielen. Patzte mit seinem Fehlpass in der Vorrunde gegen Frankreich (25:25). Hat seine Form mit jedem WM-Spiel verbessert, gegen Spanien Spieler des Spiels (fünf Treffer), insgesamt der zweitbeste deutsche Torschütze. WM-Note: 3+
Paul Drux Ist im Turnier gereift. Kann Tore mit 100 km/h reinprügeln, aber auch sanfte Heber einnetzen. In der Abwehr neben Wiencek der wichtigste Mann und immer zentraler als Taktgeber in der Offensive. Sehr wertvoll, weil variabel einsetzbar. Muss lernen in der Abwehr fairer/cleverer zu spielen (acht Zeitstrafen, einmal Rot). Der 25-Jährige dürfte in Zukunft ein Leistungsträger sein. WM-Note: 3+
Matthias Musche Musche durfte Spielminuten sammeln und zeigte sein Potenzial. Der beste Torwerfer der Bundesliga war gegen Serbien bester Torschütze (fünf), verwandelte alle seine WM-Siebenmeter. War als Backup für Gensheimer verlässlich. An das Weltklasse-Niveau muss er sich noch herantasten. Bei Gegenstößen schnell vorne. Spielte allerdings den entscheidenden Fehlpass im Spiel um Platz drei. WM-Note: 3
Finn Lemke Um seine Nichtnominierung gab es bei der EM 2018 große Aufregung. Bei dieser WM aber fiel der Abwehrriese weder negativ noch positiv auf. Er löste Wiencek meist ab, damit der Kraft tanken konnte. Zeigte, dass er mit Wiede und Drux gut harmoniert. War in Sachen Stimmung und Euphorie verbreiten weit vorne. Ansonsten extrem unauffällig. Note: 3
Kai Häfner Der Nachnominierte (für Franz Semper) durfte gleich gegen Island bei der WM 2019 seinen Einstand feiern. Ging in den wenigen Minuten motiviert zu Werke und traf ein Mal. Häfner fügte sich reibungslos auf halbrechts ein. Setzte aus der zweiten Reihe platzierte Treffer. Zeigte wie gegen Kroatien auch gegen Spanien eine tolle Leistung. Hat sich seit seiner Nachnominierung bestens eingefügt, gegen Norwegen und Frankreich dann an Grenzen gestoßen. WM-Note: 3
Franz Semper Feierte gegen Serbien Premiere in der Startaufstellung. Der jüngste deutsche Spieler musste sich an die Härte und Gangart der Weltklasse aber erst gewöhnen, war in der Abwehr oft überfordert. Konnte sich aber über seine ersten beiden WM-Treffer freuen. Zur Hauptrunde raus. Wichtig für die Zukunft – vielleicht schon bei der EM 2020. WM-Note: 3
Tim Suton Betrat gegen Europameister Spanien in der 13. Minute zum ersten Mal WM-Parkett, spielte aber, als er sei er längst ein Etablierter. Ließ sich nach nur eine Minute schon als Torschütze feiern, schoss insgesamt vier Tore. Zeigte viel Zug zum Tor. Der Gegner im Halbfinale war eine Nummer zu groß. Note: 3+