Neuer Punktekatalog Ramsauer muss nachbessern

Berlin · Bundesrat und Verkehrsjuristen haben erhebliche Zweifel am Gesetzentwurf zur neuen Verkehrssünderdatei. Experten kritisieren auch fehlendes Vorgehen gegen rücksichtslose Radfahrer und Probleme bei Tempo-Blitzern.

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Foto: rpo/Vassilios Katsogridakis

Der Widerstand gegen die Punktereform von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wächst. Der Verkehrsgerichtstag meldete am Donnerstag massive Bedenken gegen die neue Form der Ahndung von Delikten am Steuer an, und auch der Bundesrat will nächste Woche fundamentale Kritik üben. Das Ministerium reagierte gelassen und sieht Möglichkeiten, die Reform einvernehmlich zu retten.

Ramsauer will die Flensburger Verkehrssünderkartei so umgestalten, dass Rüpel und Raser schneller aus dem Verkehr gezogen werden. Nach seinem Vorschlag wird das derzeitige System — mit einem bis sieben Punkten je Verstoß — auf ein bis drei Punkte reduziert. Der Führerschein ist dann bereits nach acht statt bislang 18 Punkten weg.

Ziel verfehlt?

Der Verkehrsausschuss des Bundesrates kritisiert, dass Ramsauers jetziger Entwurf das Ziel eines einfacheren, verhältnismäßigeren und transparenteren Systems verfehle. Es sei besser, wenn Ramsauer zu seiner ursprünglichen Idee zurückkehre, nur zwischen Verstößen mit einem und mit zwei Punkten zu unterscheiden. Außerdem solle das neue Fahreignungs-Seminar erst einmal befristet getestet werden. Die Innenexperten der Länderkammer halten die Zwei-Jahres-Frist für zu kurz, nach deren Ablauf bestimmte Deliktpunkte gelöscht werden sollen. Sie monieren zudem, dass künftig die bislang "fein abgestimmte Wertigkeit der Verstöße zueinander nicht mehr stimmig" sei.

Der Präsident des Goslarer Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm, bezeichnete den Entwurf als enttäuschend. Es fehle die Möglichkeit, einen Führerschein-Entzug durch die Teilnahme an Seminaren zu verhindern. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten mit bis zu 90 Tagessätzen nach fünf Jahren aus dem Bundeszentralregister gestrichen werden, die Punkte aber bis zu zehn Jahre erhalten bleiben.

Das Verkehrsministerium wolle den für nächste Woche Freitag erwarteten Beschluss des Bundesrates abwarten und dann die Bedenken "sehr genau prüfen", sagte ein Ministeriumssprecher. Ramsauer sei "weiter zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame Lösung hinbekommen".

Neben der Punktereform sorgen sich die Verkehrsexperten bei ihrem Treffen in Goslar vor allem um die Akzeptanz von Blitzern und die polizeiliche Zurückhaltung gegenüber rücksichtslosen Radfahrern. Gerichte stellten immer wieder Messfehler bei der Tempokontrolle fest. Außerdem sei es bedenklich, dass die Messgeräte von Sachverständigen nicht überprüft werden könnten, da sich die Hersteller auf Betriebsgeheimnisse und Urheberrechte beriefen. Kritisch sahen die Verkehrsjuristen auch den Wechsel der Software bei den Geräten, da damit das vor Gericht verlangte "standardisierte Messverfahren" infrage gestellt würde.

Dabei ist die Notwendigkeit verschärfter Tempokontrollen unumstritten. Überhöhte Geschwindigkeit führe in Deutschland jährlich zu rund 70.000 Unfällen, rechnete der Automobilclub ACE vor. Wenn bei Unfällen Todesopfer zu beklagen sind, liege die Ursache bei 40 Prozent der Fälle im zu hohen Tempo.

Deutsche wollen mehr Strafen gegen Radfahrer

Als Skandal bezeichnete Präsident Nehm die "offensichtliche behördliche Duldung lebensgefährlicher Verhaltensweisen" vieler Radfahrer. Kaum ein Radler fahre mit der vorgeschriebenen Beleuchtung, kaum einer kümmere sich um Fahrtrichtung oder Ampeln. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov wollen 83 Prozent der Deutschen mehr Kontrollen und härtere Strafen gegen Radfahrer, die sich rigoros über Verkehrsregeln hinwegsetzen. 81 Prozent der Autofahrer fühlen sich von falsch fahrenden Radlern in Bedrängnis gebracht. Das Problem werde nicht dadurch gelöst, den Radfahrern das Tragen von Helmen vorzuschreiben, sagte Nehm.

Angesichts der Vielzahl von Falschfahrern auf deutschen Autobahnen fordert der Verkehrsgerichtstag eindringlichere Warnungen. Die derzeitigen Hinweise auf Verkehrsinseln vor den Auffahrten erwiesen sich zu häufig als schlecht erkennbare "Falle". Nach der Yougov-Umfrage halten es 70 Prozent der Deutschen für sinnvoll, dem österreichischen Beispiel mit großen "Stop-Falsch"-Schildern zu folgen.

(may-)
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