Fotos Der Steuer-Skandal 2008: Reaktionen aus Politik und Wirtschaft
2008: Klaus Zumwinkel brachte den Stein ins Rollen, der nun in einer Lawine enden könnte. Beobachter sprechen bereits von dem größten Steuer-Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik.Der Manager selbst hat die Hinterziehung von Steuern gestanden und will mit den Behörden kooperieren.
Die Affäre um die Liechtensteiner Bank LGT, den ehemaligen Post-Chef Zumwinkel und weitere rund 1000 Verdächtige nimmt immer größere Ausmaße an. Hier die Reaktionen:
Als ernstzunehmende Entwicklung bezeichnete Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, dass eine "bestimmte Leistungsträgerschicht" ihr Geld am Fiskus vorbei ins Ausland transferiere. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, "nein, das ist strafrechtlich relevant. Das ist kriminell. Und das muss man beim Namen nennen", betonte der SPD-Politiker.
Die "Gier" der wirtschaftlichen Elite werde zu einem "kollektiven Problem", sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn (hier rechts im Bild mit Claudia Künast). Er forderte ein Eingreifen des Staates und plädierte für eine Beschränkung der Aufsichtsratsmandate. Mehr als fünf solcher Posten dürfe kein Manager gleichzeitig besetzen.
Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Chef, warnte hingegen vor pauschaler Schelte. Es werde der Eindruck erweckt, als sei die gesamte Managerkaste überbezahlt und hinterziehe Steuern. Dabei handele es sich bei den Vorwürfen gegen Zumwinkel um einen "wirklichen Ausnahmefall".
"Offensichtlich ist in den letzten Jahren von selbst ernannten Teilen der Wirtschaftselite eine Praxis eingerissen, die man nur unanständig nennen kann", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Diese "neuen Asozialen" schadeten der Gesellschaft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Unternehmer zu einem "verantwortlichen Handeln" auf. Dies sei eine "elementare Voraussetzung dafür, dass die soziale Marktwirtschaft funktioniert". Der Rücktritt Zumwinkels sei unvermeidbar gewesen. Das Ausmaß der Ermittlungen befinde jenseits dessen, was sie und viele andere in Deutschland sich hätten vorstellen können. "Ich glaube, das geht vielen Menschen in Deutschland so wie mir", sagte die Kanzlerin.
Der Fall Zumwinkel sei nur die "Spitze des Eisbergs", mutmaßte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Ulrich Maurer (hier rechts im Bild mit Oskar Lafontaine). "Die Kette des Sittenverfalls in der Republik ist endlos", kritisierte er. Niemand rede über die Hintergründe, die Politik bleibe tatenlos.
In einem möglichen Strafverfahren gegen Zumwinkel dürfe es keinen "Deal" geben, sagte SPD-Chef Kurt Beck. "Das würde das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verletzen."
Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) begrüßte das Vorgehen der Ermittler im Fall Zumwinkel. "Dass so ein Fall aufgedeckt wird, ist ein positives Zeichen, dass sich unsere Fahnder auch von großen Namen nicht schrecken lassen", sagte der Vorsitzende der DStG, Dieter Ondracek, der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Insgesamt entgingen dem deutschen Fiskus wegen Steuerhinterziehung jährlich schätzungsweise 30 Milliarden Euro, beklagte Ondracek.
Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt nannte als Konsequenz aus der Steueraffäre eine Wertedebatte über die Verantwortung von Wirtschaftseliten überfällig. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" kritisierte der Vorsitzende der IG Bau, Chemie und Energie, Manager könnten nicht nur die Beachtung ethischer Grundsätze von den Beschäftigten einfordern, sie müssten sich auch selbst daran messen lassen.
Unterstützung für Zumwinkel gab es von bergsteiger-Legende Reinhold Messner. "Ich weiß nicht, wer den Skandal aufgebracht hat, aber ich bin überzeugt davon dass Zumwinkel nichts verbrochen hat. Da ist doch etwas um ihn herum konstruiert worden", sagte er unserer Redaktion. Seit Jahren sind Messner (63) und der um ein Jahr ältere Klaus Zumwinkel Bergkameraden. Gemeinsam mit anderen Top-Managern der deutschen Wirtschaft wie Jürgen Schrempp, Wolfgang Reitzle und Hubert Burda haben die Beiden rund ein halbes Dutzend Gipfel der Alpen, darunter auch den Ortler, erstiegen. "Similaun"-Gruppe nennt sich die Seilschaft benannt nach dem Südtiroler Gletscher, der 1991 die Steinzeit-Mumie "Ötzi" freigab. Die deutsche Wirtschaft, so Messner weiter, habe dem ehemaligen Post-Chef viel zu verdanken. "Ich bin überzeugt, dass Zumwinkel einer der genialsten Manager war, den die deutsche Wirtschaft jemals hatte."
Der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, forderte ein hartes Durchgreifen. "Wer Steuern in Millionenhöhe hinterzieht oder solche Summen veruntreut, muss zur Rechenschaft gezogen werden." Ein solches Verhalten dürfe keinesfalls als Kavaliersdelikt durchgehen. Nicht nur Eigentum, sondern auch Kapital verpflichte. Es gelte, das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, was sich gehöre und was nicht. Nur dann werde es weniger Fälle wie den Zumwinkels geben, sagte er der "Bild am Sonntag".
Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnte vor einem schleichenden Verlust an Vertrauen in die Eliten. Die aktuellen Fälle belasteten die öffentlichen Debatte um notwendige Reformen. "Die Wirtschaft tut gut daran, sich von solchem Fehlverhalten deutlich zu distanzieren. Ethische Standards - vor allem Verantwortung - müssen glaubwürdig gelebt werden", verlangte er gegenüber dem "Bremer Kurier am Sonntag".
Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte in der "Bild am Sonntag": "Die Rhetorik der Oberen in den Führungsetagen der Unternehmen passt überhaupt nicht dazu, wie sie sich selbst verhalten. Sie predigen Verzicht für andere und stopfen sich selbst die Taschen voll." Der Fall Zumwinkel sei moralisch ein Problem für die gesamte Gesellschaft und erschüttere die Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsstandorts und der wichtigsten Manager. Der Selbstbedienungsmentalität müssten Grenzen gesetzt werden.