Referenden und Abstimmungen Zu viel Demokratie?

Meinung | Düsseldorf · Demokratische Prozesse sind wichtig und kosten Zeit. Doch Abstimmungsmarathons oder polarisierende Referenden können die Demokratie auch blockieren.

 Das britische Unterhaus im Westminister-Palast gilt als Muster der repräsentativen Demokratie. Volksabstimmungen höhlen die Macht des Parlaments aus.

Das britische Unterhaus im Westminister-Palast gilt als Muster der repräsentativen Demokratie. Volksabstimmungen höhlen die Macht des Parlaments aus.

Foto: AP/MARK DUFFY

Demokratie und Rechts­staatlichkeit gehören zu den größten Errungenschaften der Menschheit. „Mehr Demokratie wagen“, forderte vor 50 Jahren der erste SPD-Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungsansprache. Zu Recht, wenn damit mehr bürgerschaftliches Engagement oder Teilhabe gemeint ist. Seit es jedoch in Mode gekommen ist, per Votum der Bürger oder Mitglieder wichtige Einzelfragen der Politik oder Personal- und Koalitionsfragen zu entscheiden, hat sich eine gewisse Lähmung breitgemacht. Fast fünf Monate nahm der Prozess in Anspruch, einen neuen SPD-Vorsitzenden zu finden. Sechs Wochen lang musste der Finanzminister des wichtigsten EU-Landes, Olaf Scholz, als Kandidat durch 23 Regionalkonferenzen tingeln, um sich der Basis zu stellen. Am Ende verlor er. Seine Position in der Regierung ist geschwächt, obwohl seine Bilanz als Chef der Staatsfinanzen gar nicht zur Beurteilung stand.