Bericht des Kartellamts enttäuscht Öl-Multis vertuschen Preisbildung bei Benzin

Düsseldorf (RPO). Die Kritik am Kartellamtsbericht, der am Donnerstag vorgestellt worden ist, wird lauter: Anstatt die Preisbildung an der Zapfsäule zu untersuchen, hätte die Behörde die gesamte Wertschöpfungskette der Öl-Multis prüfen müssen, so die Meinung des Bundesverbandes freier Tankstellen.

2011: Wie setzt sich der Benzinpreis zusammen?
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Foto: dapd

Der am Donnerstag vorgestellte Kartellamtsbericht zum Wettbewerb auf dem Benzinmarkt hat wenig Neues hervorgebracht: Die Spritpreise könnten niedriger sein und der hart umkämpfte Markt wird von nur wenigen Großkonzernen nach Belieben dominiert. Sowohl Branchenexperten als auch Autofahrern war das schon länger klar.

Nach Ansicht des Bonner Kartellamtes unternehmen die "großen Fünf" des deutschen Tankstellenmarktes - BP/Aral, Shell, Total, Esso und Jet — den Versuch, die kleineren, mittelständischen Mitbewerber auszustechen. Da die freien Anbieter den Kraftstoff um ein paar Cent günstiger anbieten wollen, sind sie Aral, Shell und Co. ein Dorn im Auge.

Und so nutzen die Öl-Multis ihre Vormachtstellung gegenüber der Konkurrenz in allen Bereichen gnadenlos aus. Erfolgreich. Da die Großkonzerne laut Kartellbehörde auf sämtlichen Ebenen der Spritgewinnung tätig sind, werde das Oligopol, eine Marktform mit wenigen großen Anbietern, sogar gestärkt. Von der Erdölförderung bis zum Verkauf des Kraftstoffs ist alles in der Hand eines Ölkonzerns. Und so bleibt der freien Tankstelle nichts anderes übrig als die ihm vorgegebenen Einstandspreise für den Kauf von Kraftstoff anzunehmen.

Wettbewerber gleich Lieferant

"Wir haben das Problem, dass unser Wettbewerber gleichzeitig unser Lieferant ist", stöhnt Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbandes freier Tankstellen (BfT), auf Anfrage unserer Redaktion. Der BfT vertritt das Anliegen von fast 2000 Tankstellen bundesweit. "Wir bekommen die Preise diktiert, da ein Konzern die gesamte Wertschöpfungskette innehat. Diesen Preiskrieg können wir nicht gewinnen."

Besonders problematisch seien laut Zieger die wettbewerbsbehindernden Machenschaften des Oligopols. Die Konzerne würden den freien Konkurrenten etwa Kraftstoff zu Preisen überlassen, die über denen lägen, die sie an eigenen Tankstellen in der Nähe zu den Mitbewerbern verlangten.

"Unter-Einstandsstrategie ist verboten"

"Diese Unter-Einstandsstrategie ist verboten, kann den großen, integrierten Firmen aber nicht nachgewiesen werden. Von der Produktion bis zum Verkauf haben sie ja schließlich alles in der Hand. Und das Kartellamt kann schlecht bei BP in Houston anrufen und fragen, was da los ist."

Um die reellen Verhältnisse und Machtstrukturen auf dem Kraftstoffmarkt aufzudecken, hätte das Kartellamt demnach nicht den vergleichsweise transparenten Preiskampf an der Zapfsäule, sondern vielmehr die nicht nachvollziehbare Preisbildung in den Raffinerien und dem Großhandel unter die Lupe nehmen müssen. "Das Kartellamt hätte an dieser Stelle ansetzen sollen", sagt Zieger vom BfT.

Wenig Transparenz

Genau in den Feldern des sogenannten Upstream und Midstream, der Produktion von Rohöl und der Verarbeitung, nutzen die größten Ölkonzerne ihre Vormachtstellung aus. "Hier ist wenig transparent", bemängelt der BfT-Geschäftsführer. "Wir beschweren uns zwar beim Kartellamt, doch die können wenig ausrichten, da der exakte Verlauf der Preisbildung, wie er uns schlussendlich im Verkauf erreicht, kaum nachverfolgt werden kann."

Ein Eingreifen der Politik erwartet Zieger nur in einem Punkt: Die Position des Kartellamtes sollte nachhaltig gestärkt und der Kompetenzbereich ausgeweitet werden. "Den Konzernen sollte eine Beweislastumkehr aufgetragen werden, um die Versorgungskette offen zu legen." Die Unternehmen wären verpflichtet, darzulegen, wie sie zu ihrem Einstandspreis kommen. Ein Schritt in Richtung Transparenz und mehr Wettbewerb.

Preisbeobachter haben frei

Bis Bewegung in den Kraftstoffmarkt kommt, werden die "großen Fünf" wohl weiter so verfahren wie bisher: Zieht einer der großen Mineralölkonzerne die Preise an, legen die anderen bald nach. Da die Tankstellenpächter von Seiten ihrer Konzerne laut Kartellamt verpflichtet sind, die Preise der umliegenden Stationen zu beobachten und Veränderungen zu melden, bekommen die anderen Unternehmen die Preiserhöhung schnell mit und reagieren entsprechend.

Es sei denn, es ist Freitagmittag. Denn dann drehen die Beobachter, wie aus Branchenkreisen bekannt ist, ihre finale Runde vor dem Wochenende und studieren ein letztes Mal die Anzeigen der Wettbewerber. Die Furcht des Öl-Oligopols, an Umsatzschwächeren Feiertagen oder Sonntagen möglicherweise ein Minus in der Kasse zu verzeichnen, treibt die Preise am Freitag in die Höhe. Sicher ist sicher. Schließlich haben die Preisbeobachter der Ölkonzerne am Wochenende frei.

(rpo)
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