Verhängnisvolles Treffen mit Özil und Gündogan Die Chronologie der „Erdogan-Affäre“
<h2><strong>14. Mai</strong></h2>
Einen Tag vor der Nominierung des vorläufigen WM-Kaders tauchen Fotos auf, die die Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan in London mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigen. Gündogan schreibt auf sein Trikot-Geschenk: "Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll." Der Deutsche Fußball-Bund reagiert pikiert, Präsident Reinhard Grindel sagt, das Duo habe sich für Erdogans "Wahlkampfmanöver missbrauchen" lassen. Gündogan erklärt via Instagram: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben."
<h2><strong>15. Mai</strong></h2>
Joachim Löw beruft Özil und Gündogan in sein vorläufiges WM-Aufgebot, obwohl auch er verstimmt ist. "Das war keine glückliche Aktion", sagt der Bundestrainer über die Fotos und kündigt ein Gespräch an. Sanktionen oder ein Verzicht auf beide sei aber "zu keiner Sekunde" Thema gewesen.
<h2><strong>19. Mai</strong></h2>
Da das Thema weiter schwelt, versucht der DFB, es mit hektischem Krisenmanagement zu beenden. Özil und Gündogan unterbrechen ihren Urlaub, treffen in Berlin Löw, Grindel und DFB-Direktor Oliver Bierhoff zur Aussprache. Im Schloss Bellevue besuchen sie Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident sagt: "Beiden war es wichtig, entstandene Missverständnisse aus dem Weg zu räumen."
<h2><strong>2. Juni</strong></h2>
Beim Länderspiel in Klagenfurt gegen Österreich (1:2), wo Özil für die Führung sorgt, werden beide Spieler ausgepfiffen. Thomas Müller verteidigt das Duo, beide seien "wichtiger Teil unseres Teams. Für uns ist das Thema abgehakt."
<h2><strong>5. Juni</strong></h2>
Beim Medientag im Trainingslager in Eppan/Südtirol stellt sich Gündogan den Fragen ausgewählter Pressevertreter. "Einige Reaktionen haben mich getroffen, vor allem auch die persönlichen Beleidigungen", sagt er dem SID, und: "Ich verstehe, dass man die Aktion nicht gut finden muss." Özil schweigt weiter.
<h2><strong>6. Juni</strong></h2>
Steinmeier äußert sich in der Zeit befremdet über die Foto-Aktion, sie habe ihn "ein bisschen ratlos gemacht". Ob die Spieler sich entschuldigt hätten, sei "eine Interpretationsfrage".
<h2><strong>8. Juni</strong></h2>
Bierhoff fordert die Medien in der ARD auf, das Thema zu beenden. Bei der WM-Generalprobe in Leverkusen gegen Saudi-Arabien (2:1) wird Gündogan vom Zeitpunkt seiner Einwechslung an ausgepfiffen. Löw reagiert getroffen, die massive Ablehnung habe ihn "geschmerzt", sagt er. Der Bundestrainer fürchtet, das Thema auch beim Turnier nicht los zu werden.
<h2><strong>9. Juni</strong></h2>
Gündogan twittert, er sei "immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen". Özil? Schweigt.
<h2><strong>15. Juni</strong></h2>
DFB-Direktor Oliver Bierhoff versucht vor dem WM-Start, die Affäre vorerst abzuhaken und erneut Ruhe in die Thematik zu bringen: "Ich sehe nicht die Notwendigkeit, das Thema hier noch mal aufzugreifen", sagt er zwei Tage vor dem Auftaktspiel gegen Mexiko.
<h2><strong>17. Juni</strong></h2>
Beim 0:1 gegen Mexiko steht Özil in der Startelf, Pfiffe sind im Luschniki-Stadion jedoch nicht zu vernehmen. Gündogan sitzt 90 Minuten auf der Bank.
<h2><strong>27. Juni</strong></h2>
DFB-Präsident Reinhard Grindel kündigt an, die Affäre nach der WM mit einer "zielführenden Diskussion" gründlich aufzuarbeiten: "Wir müssen gemeinsam mit der sportlichen Leitung überlegen, wie wir die Spieler noch stärker sensibilisieren können", sagt er in der FAZ. Am selben Tag scheidet der amtierende Weltmeister nach gegen Südkorea (0:2) aus dem Turnier aus.
<h2><strong>30. Juni</strong></h2>
"Ich werde einige Zeit brauchen, um darüber hinwegzukommen", schreibt Özil auf Twitter über das WM-Aus.
<h2><strong>5. Juli</strong></h2>
DFB-Direktor Oliver Bierhoff räumt Fehler im Umgang mit der Erdogan-Affäre ein. "Man hätte überlegen müssen, ob man sportlich auf Özil verzichtet", sagt er Bierhoff in der Welt. Einen Tag später rudert er zurück und meint, er habe sich falsch ausgedrückt. Was genau er hatte sagen wollen, bleibt unklar.
<h2><strong>8. Juli</strong></h2>
DFB-Präsident Grindel fordert Özil zu einer öffentlichen Stellungnahme für die Zeit nach dem WM-Urlaub auf. Die Fans seien enttäuscht, weil sie noch keine Antworten auf ihre Fragen erhalten hätten, sagt Grindel dem kicker.
<h2><strong>22. Juli</strong></h2>
Özil bricht sein Schweigen, äußert sich erstmals öffentlich zur Sache und tritt aus der Nationalmannschaft zurück. "Schweren Herzens und nach gründlicher Überlegung werde ich wegen der zurückliegenden Vorkommnisse nicht länger für die deutsche Nationalmannschaft spielen", teilt Özil auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken mit. Er kritisiert "Rassismus und fehlenden Respekt". Außerdem greift er Grindel scharf an: "Ich äußere mich jetzt nicht wegen Grindel, sondern weil ich es will. Ich werde nicht länger der Sündenbock für seine Inkompetenz sein." Das Bild mit Erdogan hätte er unabhängig von Wahlen in der Türkei "trotzdem gemacht", schreibt er.