Tischtennis-WM Die Einzelkritik der deutschen Spieler
Das beste Ergebnis für den Deutschen Tischtennis-Bund bei der sechsten Heim-WM der Nachkriegsgeschichte ist die Bronzemedaille von Petrissa Solja im Mixed. Die Bundestrainer Jörg Roßkopf und Jie Schöpp zeigten sich aber auch insgesamt zufrieden mit den Leistungen.
Patrick Franziska (24): Als amtierender Doppel-Europameister war Patrick Franziska angetreten. Und musste an der Seite des Dänen Jonathan Grothe die erste Enttäuschung wegstecken: Die beiden scheiterten bereits im Doppel-Achtelfinale. In der Runde der Top 32 war auch im Einzel Schluss, als Franziska dem Koreaner Jiang Woojin (0:4) unterlag. Mit Selbstvertrauen war der 24-Jährige ins Spiel gestartet, doch obwohl die Form stimmte, hatte er nach verschlafenem Beginn am Ende keine Chance mehr. "Patrick ist ein junger Spieler. Wir sind froh, dass er in der Mannschaft ist", sagte Bundestrainer Roßkopf. Er wolle ihm Zeit geben, sich zu entwickeln. Nach Franziskas WM-Viertelfinaleinzug vor zwei Jahren gab Roßkopf das Erreichen des Viertelfinals der WM 2018 als Ziel aus.
Bastian Steger (36): Ebenfalls nach sechs Sätzen und in Runde zwei musste sich Bastian Steger früh von der WM verabschieden. Nach einigen Verletzungen in den vergangenen Monaten – auch nach seinem Sieg bei den Slovenian Open 2017 – stand der 36-Jährige in seinem Match gegen Tamas Lakatos oft schlecht zum Ball. Ein untrügliches Zeichen für den Trainingsrückstand der Nummer 25 der Weltrangliste. Jörg Roßkopf betonte, Steger werde "weiter Gas geben". Weil Steger erst spät mit dem Profi-Tischtennis angefangen hat, wird er sicher noch einige Jahre als aktiver Spieler vor sich haben.
Ricardo Walther (25): Das Nachwuchstalent hatte vor der WM den letzten Einzelstartplatz im deutschen Team ergattert. Ricardo Walther bestätigte Roßkopfs Vertrauen mit einer sehr guten Leistung am Tisch. Walther scheiterte nur knapp mit 2:4 an dem Russen Alexander Shibaev, hatte dabei aber stark aufgespielt und sein taktisches Potenzial unter Beweis gestellt. "Rick hat viel Ehrgeiz und ist auf einem guten Weg. Das war eine Riesen-WM von ihm", so Roßkopf. Auf dieser Leistung könne der 25-Jährige aufbauen. Walther sei ein Spieler, in den das deutsche Trainerteam viele Hoffnungen setze.
Ruwen Filus (29): Im Achtelfinale gegen Tischtennis-Superstar Fan Zhendong hatte der 29 Jahre alte Deutsche ein starkes Spiel gezeigt, trotz hervorragender Leistung aber mit 2:4 verloren. Ruwen Filus hat dennoch bewiesen: Er ist der beste Allrounder im deutschen Team. Sein Spiel ist kaum auszurechnen, weil er weder ein reiner Abwehr- noch Angriffsspieler ist. Das dürfte es selbst den chinesischen Videoanalysten schwer machen, die Nummer 32 der Welt auszurechnen. "Ruwen hat Familie und Training unter einen Hut gebracht. Er hat hier zwei herausragende Spiele gezeigt", so Roßkopf.
Timo Boll (36): Nach intensiver Vorbereitung konnte Timo Boll in Topform antreten. Auch die Nachricht aus China hatte für einen Motivationsschub gesorgt: Boll durfte an der Seite des Chinesen Ma Long im Doppel antreten. Nach spielerisch überzeugenden ersten Auftritten, zuletzt gegen Marcos Freitas im Achtelfinale (4:1), musste Boll aber im Einzelwettbewerb ausgerechnet gegen Ma Long seine WM-Hoffnungen begraben. Lange auf Augenhöhe mit dem chinesischen Olympiasieger, verlor Boll im Viertelfinale nach einem hochklassigen Match 2:4. Ein so bitteres, wie würdiges Turnierende für die Nummer acht der Weltrangliste. Boll äußerte sich enttäuscht, aber als gewohnt guter Verlierer. "Timo liebt das Tischtennis und wird noch lange weiterspielen", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf.
Dimitrij Ovtcharov (28): Nach Timo Boll scheiterte auch Ovtcharov im WM-Viertelfinale. Als Weltranglistenfünfter und bester Spieler Europas angetreten, war die Enttäuschung natürlich groß. "Wir hatten gehofft, dass er bei der WM einen weiteren Schritt machen könnte", sagte Jörg Roßkopf nach dem Aus. Der 28-Jährige hatte im Viertelfinale gegen den japanischen Weltranglisten-Elften Koki Niwa (22) ungewöhnlich aggressiv aufgespielt, die Bälle mutig und früh genommen, viele lange Aufschläge serviert. Nach sieben hochklassigen, umkämpften Sätzen ging der Japaner dennoch als Sieger aus der Box. "Er muss noch viel lernen und wird seine Lehren ziehen. Dimitrij ist unser Mann für die Zukunft", sagte Roßkopf.
Petrissa Solja (23): Sie hat das beste Ergebnis erzielt: Im Mixed-Wettbewerb holte Petrissa Solja an der Seite des Chinesen Fang Bo die Bronzemedaille. Im Einzel aber war in Runde zwei für die 23 Jahre alte Pfälzerin Schluss. "Sie muss an ihrer Ausdauer und Fitness arbeiten", sagte Jie Schöpp nach der Niederlage gegen Szandra Pergel. Beim Abendspiel gegen die Ungarin kam zwar zudem eine Konzentrationslücke hinzu, weil Solja ein Aufschlag abgezogen wurde. Solja hatte aber selbst gespürt, dass ihr Frische und Übersicht im Spiel gefehlt hatten. Ähnlich wie die anderen deutschen Spielerinnen hatte Solja wegen einer Verletzung (Muskelfaserriss) keine optimale Vorbereitung. Als junge Spielerin hat die Weltranglistenzwanzigste aber noch Zeit, sich zu entwickeln.
Nina Mittelham (20): Beim TTC VfL Willich in die Karriere gestartet und in Düsseldorf aufgewachsen, zeigte sich Nina Mittelham (20) bei ihrer Heim-WM (gleichzeitig ihre erste WM) extrem nervös. Bundestrainerin Jie Schöpp sprach Defizite an, die Mittelham im Training noch nicht optimal verbesserte. "Nina wird noch viel an sich arbeiten müssen." Ihr habe noch die Erfahrung gefehlt, insbesondere taktisch. Technisch sei die 20-jährige Spielerin des TuS Bad Driburg aber auf einem guten Weg.
Kristin Silbereisen (32): Die Bundestrainerin bezeichnet ihren Auftritt als größte WM-Überraschung: Die 32 Jahre alte Doppel-Europameisterin Kristin Silbereisen scheiterte erst im Achtelfinale trotz starker Leistung mit 2:4 Sätzen gegen die Weltranglisten-Vierte Feng Tianwei aus Singapur. Obwohl sie beruflich eingespannt ist, sei Silbereisen seit Jahren mit Engagement im Training dabei und strahle eine "vorbildliche Trainingseinstellung aus", lobte Bundestrainerin Schöpp. Bei der WM in Düsseldorf war die Weiterentwicklung erkennbar: Sehr variabel im eigenen Spiel, hatte sich Silbereisen gut auf taktische Finessen der Gegnerinnen eingestellt. Schöpp: "Kristin ist über sich hinausgewachsen."