Reaktionen auf den Terroranschlag von Hanau „Ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft“
Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident
„Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum, sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem auf übelste Weise Fremdenfeindlichkeit und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden, bis Minderheiten als Bedrohung empfunden werden und Diskriminierung in zügellosen Hass umkippt. Sich dem nicht zu beugen, dafür tragen wir alle Verantwortung, Politik und gewählte Repräsentanten in besonderem Maße. Herausforderungen und damit einhergehende Konflikte dürfen wir nicht beschweigen, aber wie wir darüber politisch diskutieren, um Wege für ein menschliches Miteinander zu finden, bestimmt mit darüber, solchen offensichtlich rassistischen Taten vorzubeugen. Gelingt und das nicht, machen wir uns mitschuldig.“
Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages
DIHK-Präsident Eric Schweitzer hat den Terroranschlag in Hanau verurteilt und vor negativen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft gewarnt. „Wir haben uns in Deutschland auch deshalb wirtschaftlich so erfolgreich entwickelt, weil wir eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft sind“, sagte Schweitzer der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag). „Die deutsche Wirtschaft stemmt sich gegen alles, was Hass und Gewalt schürt“, sagte er. „Weltoffenheit, Toleranz und grenzüberschreitender Austausch zahlen sich nicht nur in der Handelsbilanz aus. Sie sind zentrale Werte unseres auf Zusammenarbeit, Kreativität und Entfaltung angelegten Wirtschaft- und Gesellschaftsmodells“, betonte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). 40 Prozent aller neuen Unternehmen würden von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet. „Sie tragen zum Wohlstand des Landes und gesellschaftlichen Zusammenhalt bei“, sagte Schweitzer. Die deutsche Wirtschaft sei zudem dringend auf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. „Ausländerfeindliche Tendenzen prägen das Bild Deutschlands in aller Welt negativ – und schrecken verständlicherweise gute Fachkräfte ab“, warnte der DIHK-Chef.
Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann
„Die Voraussetzung zum Innehalten und zur Veränderung ist die Reflektion. In Bezug auf das was im Ganzen passiert, aber in erster Linie mit Blick auf die eigene Person. Bin ich ein Vorbild? Komme ich meinen sich daraus ableitenden Verpflichtungen nach? Das Wichtige für sich selbst zu erkennen und dann den Mut zu haben, dafür einzustehen, auch wenn es unbequem ist: Nur das kann das Ganze berühren und verändern.
Träger und Treiber der Veränderung müssen diejenigen sein, die in der Öffentlichkeit stehen. Auch der Fußball, auch wir, die Fortuna, spielen eine wichtige Vorbildsrolle.
Wenn ich daran denke, welches Engagement unsere Fans für die Themen Vielfalt und Gleichberechtigung aufbringen, ist das absolut vorbildlich. Andererseits zeigen sich im Fußballbetrieb aber auch viele gegenläufige Entwicklungen: den medialen Umgang mit Spielern, Trainern und Verantwortlichen kann niemand mehr gutheißen. Wenn Spieler innerhalb weniger Tage von Helden zu gescheiterten Persönlichkeiten gemacht werden, merken wir, dass der Kompass verloren gegangen ist. Und unsere mediale und digitale Welt führt dazu, dass solche „einfachen“ Mechanismen dann auch Einfluss auf Reaktionen und Verhalten in unserer Gesellschaft haben. Wir alle müssen innehalten, reflektieren und den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellen.“
Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Parteichef und Außenminister
„Der Feind der Demokratie steht rechts: Es lässt sich nicht abstreiten, dass linke Chaoten auf Polizisten eindreschen, Autos und Mülltonnen in Brand setzen und immer wieder hohe Sachschäden verursachen. Alles schlimm genug und nicht zu verharmlosen. Aber so richtig gefährlich wird es für die Demokratie gerade von rechts. Es sind nicht nur die rechten Brandstifter, die man bekämpfen muss, sondern endlich auch ihre identischen Hintermänner im Gewand der Biedermänner.“
Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland
„Zur Überwindung der Gewalt ist es jetzt notwendig, dass die Menschen in unserem Land zusammenstehen. Die Gottesdienste, zu denen die Kirchen nach der Gewalttat von Hanau eingeladen haben, geben Raum, um Erschrecken, Betroffenheit und Trauer zum Ausdruck zu bringen. Jetzt kommt es auf jeden einzelnen an. Wir sind alle gefordert, Rassismus und Antisemitismus in den konkreten Situationen des Alltags vehement zu widersprechen. Und es muss klar sein: Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Gemeinde München und Oberbayern
„Als Vertreterin der jüdischen Gemeinschaft und als Bürgerin weiß ich: So wenig es bis heute je volle Normalität jüdischen Lebens gegeben hat, so wenig war unsere Gesellschaft zu irgendeiner Zeit vollkommen friedlich und von demokratischen Werten getragen. Das ist aber kein Grund zum Verzweifeln, sondern Motivation, für Freiheit und ein friedliches Miteinander einzustehen. Wenn Bedrohungen und Gewalt zunehmen, muss der Staat mit aller Härte durchgreifen und gerade jenen Fiebersumpf des Hasses trockenlegen, der sich vor unser aller Augen im Internet gebildet hat – und der in Hanau nicht zum ersten Mal Tote gefordert hat. Aber auch gesellschaftlich müssen wir unsere Ziele deutlicher verfolgen: Wir müssen präventiv gegen Hass vorgehen und gerade an den Schulen dem Unwissen und den Vorurteilen entgegenwirken. Nur so können wir die Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens dauerhaft überwinden.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), frühere Bundesjustizministerin
„Der Anschlag von Hanau ist ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft. Wenn Menschen mit Migrationshintergrund gezielt ermordet werden, ist das nur die Spitze des Eisberges. Der Hass gegen die vermeintlich „anderen“ ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Um dieses Gift zu bekämpfen, ist jeder Einzelne gefordert: Widersprecht, wenn Verschwörungstheorien verbreitet werden, setzt ein Zeichen, wenn Menschen diskriminiert werden. Schließt Euch zusammen und seid solidarisch mit den Opfern. Zu oft wird Hass relativiert, weggelächelt oder ignoriert. Wir müssen für unsere gemeinsamen Werte zusammenstehen und all jenen, die gegen Minderheiten hetzen, entgegenrufen: Ihr habt keinen Platz in unserer Mitte.“
Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Religionslehrerin in Duisburg
„Zu gegenseitiger Achtung kommen wir nur, wenn wir im Gegenüber das Eigene sehen und verstehen. Wenn ich mein Gegenüber nur als Fremde*n lese, werde ich ihr bzw. ihm niemals auf Augenhöhe begegnen und annehmen. Die eigene Konstruktion des Anderen und seine Reduzierung auf typische Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten, lässt unüberwindbare Gräben entstehen. In diesem Sinne sollten wir Diversität als positiven Wert erkennen, die in unserer rechtsstaatlich orientierten Einwanderungsgesellschaft zu mehr Achtung führt und die Gesellschaft zusammenhält.“
Serap Güler (CDU), Staatssekretärin im NRW-Integrationsministerium
„Die aktuelle Tat in Hanau macht erst fassungslos - und wahrscheinlich ist dies genau das Ziel hinter solchen feigen Anschlägen. Doch die Hoffnung, dass Fassungslosigkeit zu Angst und Misstrauen, zu Feindseligkeit und zum Auseinanderdriften führen, darf niemals aufgehen. Deshalb sind wir als eine offene Gesellschaft jetzt stärker gefordert als denn je, genau dies und unsere freiheitlich-demokratischen Grundrechte gegen jeden zu verteidigen, der sie in Frage stellt. Ich wünsche mir jetzt einen starke, solidarische Gesellschaft, die aufsteht und laut wird und nicht einfach zur Tagesordnung übergeht. Hass und Hetze darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall
„Hass, verbale Vernichtung und Ausgrenzung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern greifen um sich – nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch in unseren Parlamenten. Unsere Alternative zu Hass und Hetze heißt Respekt und Solidarität. Wer erlebt, dass gemeinsames Handeln stark macht, wer erlebt, dass ihn mit vermeintlich Fremden mehr verbindet, als trennt - der lässt sich von den Hasspredigern und Spaltern nicht so leicht in den Abgrund ziehen. Dabei ist eines klar: Keine Toleranz für die Intoleranten, kein Fußbreit den Faschisten.“
Henriette Reker (SPD), Kölner Oberbürgermeisterin
„Es geht nur durch gegenseitigen Respekt. Und dadurch, dass alle Artikel 1 unseres Grundgesetzes mit Leben füllen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Heinz Rudolf Kunze, Schlagersänger
"Das ist eine schwierige Frage. Letztlich nur, indem wir wieder Respekt lernen. In der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Fußgängerzone, im Fußballstadion und vor allem auch im teuflisch verführerischen Internet!"