Reaktionen zur Hessen-Wahl „Es muss sich in der SPD etwas ändern“
Die Hessen haben einen neuen Landtag gewählt. Die CDU verliert massiv, bleibt aber stärkste Kraft. Die SPD stürzt ab. Die Grünen jubeln, die AfD ist nun in allen Landtagen. Wir haben Reaktionen gesammelt.
"Es ist bitter und macht demütig“, sagt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) über das Abschneiden seiner Partei. Eine solche Situation habe er noch nie erlebt, auch weil aus Berlin so viel Gegenwind gekommen sei: "Die bundespolitische Kulisse hat durchgeschlagen." Das Wahlergebnis sei ein klares Signal für die große Koalition in Berlin. Die Menschen wünschten sich weniger Streit, sondern "mehr Sachorientierung und mehr Lösung".
"Es muss sich in der SPD etwas ändern", sagte SPD-Chefin Andrea Nahles. Ihre Partei müsse besser klarmachen, wofür sie stehe. Außerdem sei "der Zustand der Regierung nicht akzeptabel". "Wir erwarten deshalb auch von der Union, dass sie Konsequenzen zieht und ihre inhaltlichen und personellen Konflikte schnell löst."
Thomas Kutschaty, Fraktionschef der SPD im NRW-Landtag, sieht sich durch das hessische Ergebnis in seiner Skepsis zur großen Koalition bestätigt. "Ohne sichtbare Erfolge und klare Perspektiven wird die Basis für eine Weiterführung der Groko kaum zu gewinnen sein", sagte er unserer Redaktion. "Die bundespolitischen Bedingungen werden zu einer immer schwereren Last auf unseren Schultern. Spätestens jetzt muss das jeder begriffen haben. Eine ehrliche Bilanz zu ziehen wird immer wichtiger."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fordert Konsequenzen aus den schweren Verlusten der Unionsparteien in Bayern und Hessen und den miserablen Umfragewerten im Bund. „Ich finde, eine reine Personaldebatte greift da zu kurz. Das reicht nicht, es geht ja um mehr“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend im ZDF auf die Frage, ob die Zeit für Veränderungen an der Parteispitze gekommen sei. „Das ist auch mehr als eine kleine Delle, das ist eher ein strukturelles Problem.“
Juso-Chef Kevin Kühnert sieht die Gründe für das schlechte Abschneiden der SPD in der Bundespolitik. „Unter den Bedingungen, unter denen wir hier in Berlin arbeiten, wird die SPD in keinem Bundesland einen Fuß auf den Boden bekommen“, sagte Kühnert. Im Wahlkampf habe er den Eindruck gehabt, die Leute wollten der großen Koalition eins auswischen. „Und das haben sie heute auch getan.“ Der Juso-Chef war von Anfang gegen ein Bündnis mit der Union.
„So grün war Hessen noch nie“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Am Erfolg der Grünen zeige sich, dass Wahlen nicht nur am rechten Rand zu gewinnen seien, sagte Co-Bundeschef Robert Habeck an. Die Grünen seien bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Partei werde in Sondierungsgesprächen sehen, wie sich am meisten grüne Politik umsetzen lasse.
Der Wahlabend ist nach Worten von Kanzleramtsminister Helge Braun kein Zeitpunkt für Personaldiskussionen. "Angela Merkel ist unsere Parteivorsitzende, ist die starke Stimme Deutschlands in der ganzen Welt", sagt der CDU-Politiker im ZDF. Die Menschen wollten den Streit und ewige Personaldiskussionen nicht. Es gehe jetzt darum, gute Sacharbeit zu machen.
Die Wahl in Hessen war nach den Worten von Linken-Bundeschefin Katja Kipping "eine Denkzettelwahl für die große Koalition". Die Linke ziehe gestärkt in den hessischen Landtag ein, auch wenn sie sich ein paar Prozentpunkte mehr erhofft habe, sagt Kipping im ZDF. Aufgabe der Linken sei es, sich stark zu machen für Alltagsthemen der Menschen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil fordert Konsequenzen für die Arbeit der großen Koalition in Berlin. "Es muss sich hier in Berlin deutlich etwas ändern", sagte Klingbeil im ZDF. SPD, CDU und CSU müssten klären, "ob wir gemeinsam die Kraft haben, die inhaltlichen Ziele weiter umzusetzen".
Klingbeil zeigte Verständnis dafür, dass in der SPD die Diskussionen über einen Ausstieg aus der großen Koalition zunehmen. Aber die Forderung, sich einfach aus der Regierung zu verabschieden, sei zu kurz gegriffen. Die Parteiführung wolle konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Partei wieder stärker werden könne. Nötig seien „programmatische Klärungsprozesse“, die man jetzt schnell angehen werde. Eine Diskussion über Parteichefin Andrea Nahles halte er für falsch.
AfD-Chef Jörg Meuthen äußert sich "sehr zufrieden" mit dem Einzug in den hessischen Landtag. Das Ziel eines deutlich zweistelligen Ergebnisses sei erreicht worden, auch wenn noch ein Stück "harte Arbeit" vor der Partei liege.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert als Konsequenz aus der Hessenwahl eine "neue Arbeitskultur" in der großen Koalition. "Es muss Schluss sein mit der Debatte, ob wir zusammen regieren oder nicht", sagt die CDU-Politikerin. Die große Koalition sollte sich auf drei große Projekte für die nächsten Monate einigen.
„Das ist eine bittere Niederlage, und da gibt's auch nichts dran herumzudeuteln“, sagte der SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. Seine Partei habe die Kompetenz für Themen wie Wohnen und Schulen zugeschrieben bekommen, aber dennoch das Rennen verloren. „Das Ergebnis zeigt sehr eindeutig, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, gegen einen übermächtigen Bundestrend mit den eigenen Themen im Land zu gewinnen“, erklärte Schäfer-Gümbel. „Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmäßig Sturmböen im Gesicht.“
FDP-Chef Christian Lindner stellt klar, dass seine Partei immer zur Verfügung stehe, wenn es um eine Regierungsbeteiligung gehe. "Die einzige Voraussetzung ist, es muss ein partnerschaftliches Miteinander sein", sagt er im ZDF. Er bedauere, dass bürgerliche Protestwähler nicht von der CDU zur FDP gekommen seien.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, Günter Rudolph, macht die große Koalition in Berlin für das schlechte Abschneiden der SPD in Hessen verantwortlich. „Die große Koalition hat sich mit sich selbst beschäftigt, statt Probleme zu lösen“, sagte Rudolph im hr-Fernsehen. „Da war ein Orkan aus Berlin, der auf uns nieder gegangen ist.“