Fotos Diesel-Fahrverbote sind zulässig - so reagieren Politik und Wirtschaft

Das Bundesverwaltungsgericht hält Diesel-Fahrverbote in Städten grundsätzlich für zulässig. Die Reaktionen auf das Urteil (27. Februar 2018) fallen unterschiedlich aus. Die einen jubeln, die anderen sprechen von Enteignung. Eine Auswahl.
Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) fordert finanzielle Unterstützung für seine Stadt, damit Fahrverbote doch noch vermieden werden können. "Verursacher des Problems sind die Automobilindustrie und das Bundesverkehrsministerium, das offensichtlich nicht streng genug die Grenze für den Schadstoffausstoß festgelegt hat. Es ist nur recht und billig, wenn die Kommunen nun finanziell in die Lage versetzt werden, die Grenzwerte einzuhalten."

"Die Autohersteller müssen die Verantwortung für die technische Nachrüstung übernehmen", meint Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). "Dann müssen wir verhindern, dass mögliche Fahrverbote zu paradoxen Ergebnissen führen."
Es dürften nicht alle Diesel-Fahrzeuge nach der Rasenmäher-Methode aus den Städten ausgesperrt werden. Zudem müsse es möglich sein, soziale Härten zu vermeiden und Sonderregeln etwa für Handwerker zu finden.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat von Autobauern höhere finanzielle Anreize für einen Umstieg auf schadstoffärmere Fahrzeuge verlangt. Die SPD fordere die "Hersteller auf, höhere Kaufprämien zu zahlen", sagte die designierte SPD-Chefin. Technisch nachgerüstet werden sollten Diesel-Fahrzeuge dort, wo es "wirtschaftlich sinnvoll und technisch möglich" sei. "Unser Ziel ist es, weiter Fahrverbote zu vermeiden." Wenn es überhaupt dazu komme, müsse ein Fahrverbot eine lokale Ausnahme bleiben.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will "alles tun", um die Richtwerte für Stickoxid möglichst ohne Fahrverbote für Diesel zu erreichen. "Ich will keine Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen."
Das Gericht habe besonderen Wert auf Verhältnismäßigkeit aller Maßnahmen gelegt, sagte Laschet. "Ganz Düsseldorf für Diesel zu sperren, ist nicht verhältnismäßig." Es gebe auch keine Rechtsgrundlage, die Städte nun ab einem gewissen Richtwert verpflichte, Fahrverbote zu erlassen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Einführung einer blauen Plakette im Rahmen einer bundesweit einheitlichen Regelung gefordert. Diese Plakette müsse jetzt kommen, erklärte Kretschmann in Stuttgart. Dies sei "unabdingbar, um kommunale Flickenteppiche zu vermeiden und eine effektive Kontrolle zu ermöglichen".

Die Partei Die Linke will erreichen, dass die Autohersteller die Kosten für eine Nachrüstung älterer Dieselautos tragen. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Konzerne dazu rechtsverbindlich verpflichtet", sagte die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht. "Wenn die Bundesregierung nun nicht endlich handelt, werden Millionen von Autofahrern die Zeche für den Betrug der Spitzen der Autokonzerne bezahlen."

Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt begrüßte, dass ein generelles Fahrverbot nicht notwendig sei, sagte der CSU-Landesgruppenchef. Jetzt brauche es intelligente Erststeuerungsmaßnahmen in den Städten. Spezifische Maßnahmen müsste in den Regionen nun ergriffen werden. "Die Konzepte müssen in der Stadt vorgenommen werden."

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts begrüßt. Das Urteil gebe nun endlich Klarheit und bestätige, was die CDU schon immer gesagt habe. "Dass es keine Fahrverbote flächendeckend gibt, ist eine gute Entscheidung", sagte der CDU-Politiker. "Wir brauchen jetzt also nicht davon ausgehen, dass die Menschen pauschal von ihrem Dieselfahrzeug getrennt werden."
Die Kommunen seien nun aufgerufen, zu handeln, sagte Kauder. Nun werde man vielleicht auch die Bedeutung neuer Straßen und Ortsumfahrungen in einem neuen Licht sehen.

"Ich glaube, wir haben heute einen ganz großen Tag für die saubere Luft in Deutschland erreicht. (...) Schmutzige Diesel-Fahrzeuge müssen jetzt auf Kosten der Firmen mit einer funktionierenden Abgasreinigung ausgestattet werden." Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

"Fahrverbote sind der falscher Weg. Seit Jahren haben Politik und Verwaltung den Bürgern und Betrieben die Anschaffung von Dieselfahrzeugen fast aufgedrängt. Wenn ihre Nutzung jetzt verboten wird, dann ist das kalte Enteignung und Wortbruch in einem." Christian Lindner, FDP-Vorsitzender.

Die Kanzlerin versucht, die Sorgen zu dämpfen. Bei dem Urteil gehe es "wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer", sagte Angela Merkel. Die Entscheidung der Leipziger Richter betreffe lediglich "einzelne Städte, in denen noch mehr gehandelt werden muss". Und in vielen dieser Städte würden die Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft "nicht so sehr" überstiegen. Die Grenzwerte könnten dort "vielleicht schon bald" eingehalten werden, sagte die Kanzlerin.

Die Bundesregierung will Fahrverbote vermeiden. Das kündigten Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an. Hendricks sagte, sie sehe die Fahrzeughersteller in der Pflicht bei der Nachrüstung von Diesel-Pkw, damit diese die Stickoxid-Grenzwerte einhalten könnten. Allerdings sei eine Verpflichtung rechtlich schwierig. Schmidt sagte, es müssten Maßnahmen ergriffen werden, damit die Grenzwerte in den Städten eingehalten werden könnten, unter anderem durch die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs.

"Die Bundesregierung muss den Kommunen endlich eine blaue Plakette an die Hand geben. Außerdem muss sie endlich die Nachrüstung dreckiger Dieselfahrzeuge auf Kosten der Autoindustrie durchsetzen. Darüber hinaus brauchen wir eine mutige und weitsichtige Offensive für Bus und Bahn." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

"In einem Pendlerland müssen wir auch an die denken, die einen kleinen Geldbeutel haben, sich nicht das neueste Automodell leisten und auch nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können." Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Vorsitzende und designierte Bundeslandwirtschaftsministerin.

"Fahrverbote sind der falsche Weg. Wir appellieren an die Kommunen, alles zu tun, um sie zu vermeiden. Fahrverbote sind nicht alternativlos! Es gibt zahlreiche Maßnahmen, mit denen sich Schadstoffe spürbar reduzieren lassen. Mit intensiven Anstrengungen aller Beteiligten ist es in den meisten Städten möglich, die Grenzwerte in absehbarer Zeit zu unterschreiten." Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Handwerk.

"Die Hersteller sind jetzt in der Pflicht. Ohne Umrüstung sind Grenzwerte ohne Fahrverbot kaum erreichbar. Kundenschutz!" Karl Lauterbach, SPD

"Fahrverbote haben negative Auswirkungen für den Handel und die Innenstädte. Die Händler sind darauf angewiesen, dass ihre Ware und die Kunden unkompliziert zu ihnen kommen können." Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE).
Düsseldorfs Handwerkskammer-Präsident Andreas Ehlert warnt: "Eine Aussperrung von Dieselfahrzeugen würde nahezu den gesamten Liefer-, Bau-, und Monteurverkehr des Handwerks zum Erliegen bringen. Leidtragende wären zudem unsere Arbeitnehmer, die mit einem Diesel-PKW an eine Baustelle bzw. zu ihrer Arbeitsstelle gelangen müssen. Ein Diesel-Fahrverbot wäre somit faktisch eine Enteignung von Betriebsvermögen und würde zahlreichen Betrieben die Existenzgrundlage entziehen. Unternehmensschließungen und Arbeitsplatzverluste wären die Folge."

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