Bundesliga 2018/19 Das war die Saison von A bis Z
Die Bayern sind zum siebten Mal in Folge Meister, die Vereine haben ihre Trainer fleißig gewechselt, die neue Handspielregel hat Woche für Woche für Diskussionen gesorgt. Aber es gibt noch mehr, was die Saison 2018/19 ausgemacht hat. Hier ist unser ABC der Saison.
Abspiel, das kommt selbst in Zeiten der gehobenen Fußball-Wissenschaft immer noch oft zu spät, zu früh oder gar nicht. Trainer finden dann: "Der letzte Pass war zu ungenau." Trotzdem reckt der verfehlte Adressat dankbar den Daumen. War ja gut gemeint.
Ball, der lange wurde von den großen Ästheten auf den Index gesetzt. Sie bekommen Schüttelfrost, wenn sie in düsteren Fernsehbildern den kernigen Athleten Uwe Kliemann für Berlin, Oberhausen oder Frankfurt das Spielgerät aus der Erdumlaufbahn prügeln sehen. Neuerdings als Stilmittel ausgerechnet von Eintracht Frankfurt wiederentdeckt. "Bruda, schlag den Ball lang", riet Stürmer Ante Rebic dem Kollegen Kevin-Prince Boateng. Das führte zum Pokalsieg 2018 und (ohne Boateng) zu einer bemerkenswerten Europa-League-Saison. Lange Bälle erfordern aber auch viel Rennerei. Das macht müde. Ergebnis: siehe Bundesliga-Endspurt.
Chip, der ist nicht länger den Golfern vorbehalten. Auch in der deutschen Liga wird elegant in den Strafraum gechippt. Meister des Chips ist Bayern Münchens Mittelfeldspieler Thiago. Die feinen Dinge tut er am liebsten. Weh tun dürfen sich die anderen. Die müssen ja auch was machen.
Diagonalpass, der anders als der lange Ball (siehe da) nicht einfach nach vorn gekloppt, sondern von der einen Spielfeldseite auf die andere. Da recken dann die Menschenmassen im Mittelfeld staunend die Hälse, und die Flügelspieler freuen sich. Denn sie haben Platz, ein besonderes Gut. Die schönsten Diagonalpässe spielt immer noch der Münchner Jerome Boateng, wenn er denn mal spielen darf.
Enge, die herrscht fast überall auf dem Platz, solange kein Diagonalpass (siehe da) oder ein Steilpass gespielt wird, von dem die Sportreporter sagen, er gehe in die "Schnittstelle" der Abwehr. Ansonsten wird der Raum verdichtet, als müsse auf dem festgetretenen Fundament schon morgen ein Hochhaus errichtet werden. Mittendrin: der bedauernswerte Ball, den offenbar schon lange keiner mehr leiden kann. Denn die meisten Teams sehen ihre berufliche Erfüllung darin, "gegen den Ball zu arbeiten".
Fehlpass, der ist seit den Tagen des frühen Jürgen Klopp ein Stilmittel des Angriffs geworden. Wer nicht mehr weiß wohin, der gibt dem Gegner den Ball, weil dann das "Gegenpressing" beginnen kann. Da „laufen“ die Stürmer die Abwehrspieler „an“, und die jammern später: "Wir wurden ja auch früh angelaufen." Das geht so lange gut, bis ein "Bruda" den "langen Ball" (siehe da) auspackt. Da hilft nämlich kein Anlaufen mehr.
Gegner, der beeinträchtigte schon zu den Zeiten von Otto dem Großen (Rehhagel) die Spielkunst. "Am besten spielen wir, wenn der Gegner nicht auf dem Platz ist", sprach Rehhagel. Kaum auszudenken, wie gut Hannover spielen könnte, wenn die Gegner lieber zum Mannschaftsabend in der Kabine bleiben würden. Leider traten sie in der Regel an.
Handspiel, das ist einer alten Weisheit zufolge, wenn der Schiedsrichter pfeift. Neu ist, dass der Videoschiedsrichter in einem kühlen Kölner Keller zustimmen muss. Und neu ist auch, dass sich die Spieler drehen und verrenken können, wie sie wollen. Irgendwie ist doch immer ein Handspiel drin. Das sichert (TV- und sonstigen) Stammtischen auf Jahre hinaus Diskussionsstoff.
Irreguläres Tor, das hat viel mit dem Kölner Keller zu tun. Dort sitzen professionelle Fernsehzuschauer, die 90 Minuten und länger auf ihre Bildschirme starren. Das wird jedenfalls immer behauptet. Manchmal kann man glauben, dass sie für eine halbe Stunde zum Pommesholen gegangen sind und bei der Rückkehr schnell mal eine Salve an Protesten auf Schiedsrichter-Kopfhörer senden. Das macht aus knurrenden Alphatieren Humoristen. Uli Hoeneß zum Beispiel. Der hielt die Aberkennung eines Treffers von Leon Goretzka in Leipzig für "den Witz des Jahres". So richtig laut gelacht hat er trotzdem nicht.
Jubel, der wird wahrscheinlich im Training geprobt, spätestens aber bei den Terminen mit den Sponsoren, die immer so schön unverfälschte Freude sehen wollen. Die bekommen sie dann von Kameras konserviert - für den Fall, dass sie am Samstag im Stadion gerade mal wieder weggeschaut hatten, um einen wichtigen Deal zu besprechen.
Kovac, Niko bekam von den Bayern eine überalterte Mannschaft im Umbruch, ein paar nörgelige Stars und ein Führungsduo, das sich stets so herrlich uneinig ist. Trotzdem gewann Kovac die Meisterschaft, und er kann Samstag sogar noch den Pokal in seiner Heimatstadt Berlin holen - wie vor einem Jahr mit Frankfurt gegen die Bayern. Zum Dank wird er in Frage gestellt. Am liebsten würde man den Kölner Keller anrufen. Da ist mehr als eine kalibrierte Linie überschritten.
Lukebakio, Dodi steht für das Ereignis der Saison. Der Herr ist nämlich Stürmer von Fortuna Düsseldorf, dem größten Außenseiter seit Tasmania Berlin. Bis in den späten Herbst wurde die Fortuna der Einschätzung völlig gerecht, dann entdeckte sie das gegnerische Tor. Sie fing mit dem Punkten an. Und ehe sich die Konkurrenz im Abstiegskampf daran gewöhnt hatte, waren die Düsseldorfer allen Mitbewerbern davongezogen. Mit dem Punkten hörten sie aber immer noch nicht auf. Wo soll das nur hinführen?
Meister, der werden immer die Bayern. Das lernen die Schulkinder seit 2013 in der ersten Klasse. Nur ältere Menschen erinnerten sich bis zu dieser Spielzeit daran, dass die Bundesliga an der Spitze auch mal spannende Wettbewerbe bieten kann. Jetzt wissen das auch die Erstklässler von 2018/19. Selbstverständlich tun die Bayern, als liege das vor allem an ihrer Großzügigkeit. Und Meister wurden sie ja trotzdem.
Nürnberg, 1. FC, der war mal der deutsche Rekordmeister. Bestleistungen verpflichten. Nach einer abenteuerlich schlechten Saison gehen die "Clubberer" zum neunten Mal in zweite Liga, auch das ist ein Rekord. Wie sagte der Radioreporter Günther Koch vor 20 Jahren, als Nürnberg wieder mal abstieg: "Hier ist Nürnberg, wir melden uns vom Abgrund." An diese Aussicht hat sich der Club gewöhnt.
Offensive, die ist nach Meinung der meisten Zuschauer immer noch das Schönste am Fußball. Deshalb teilen sie die Begeisterung der Trainer für das "Spiel gegen den Ball" nur bedingt. Die Haltung der Trainer ändern sie damit nicht. Schade.
Pressing, das ist in der Verbform angekommen bei den Fußballschaffenden. "Wir haben hoch gepresst", sagen sie oder: "Sie haben uns hoch gepresst." Es gibt auch Pressinglinien, die dringend überspielt werden müssen. Und das hat alles mit Anlaufen und Arbeit (Spiel) gegen den Ball zu tun. Schön, wenn alles zusammenhängt.
Querdenker, die hatten es im Fußball schon immer schwer. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine ist Max Kruse von Werder Bremen. Der zockt in seiner gut bemessenen Freizeit gern mal in aller Öffentlichkeit, und er bewegt sich auf dem Platz, wie er will. Da schauen die Kollegen aus der Abteilung "Stromlinienförmig" schon mal dumm aus der Wäsche.
Regeln, die sind wichtig. Es wäre aber noch schöner, wenn sie jeder verstehen würde. Die Sache mit der Hand war zum Beispiel schon mal deutlich klarer oder die mit dem Abseits im Zeitalter vor passiv, aktiv, neuer Spielsituation und kalibrierter Linie.
Stürmer, die sind einfach unentbehrlich, obwohl die Trainer so laut und gleichzeitig so gebildet von "polyvalenten", also vielseitigen, Spielern schwärmen. Robert Lewandowski, Luka Jovic und Marco Reus sind jedenfalls weder als abkippender Sechser noch als grätschender Verteidiger vorstellbar. Wenn sie sich doch mal in diese Rolle verirren, siehe Reus gegen Schalke, wird's gleich schwierig. Reus grätschte, und er flog vom Platz. Wäre er mal lieber an seinem Arbeitsplatz geblieben.
Tor, das bleibt bei allem Spiel gegen Ball doch das Ziel. Dass Bayern (88) und Dortmund (81) die mit Abstand meisten Treffer erzielt haben, beweist zweierlei: Geld schießt Tore, und wer Meister werden will, der kann ohne funktionierenden Angriff einpacken.
Umschaltspiel, das bezeichnet die Situation, die früher Konter genannt wurde. Die einen (konternden) rannten schnell nach vorn, die anderen schnell nach hinten. Das tun sie noch heute, Fußballer sind ja nicht blöd - selbst wenn es sich gelegentlich anders anfühlt.
Verteidigung, die gewinnt Meisterschaften, heißt es. Das ist der tiefere Grund für die Arbeit gegen den Ball und die Menschenansammlungen im Mittelfeld. Beim Verteidigen sollen schließlich alle mitmachen - nur nicht so wie Reus gegen Schalke.
Wolfsburg, VfL, der schickte sich an, zum Erben des großen HSV zu werden und sich jährlich durch die Relegationsspiele etwas dazu zu verdienen. Daraus wird nichts, jetzt ist mal der nicht minder große VfB Stuttgart an der Reihe. Der HSV hält die Liga dieses Jahr - ohne Relegation.
Xhaka, Granit spielt immer noch bei Arsenal London. Weil er früher für Mönchengladbach antrat, hat er hier einen Stammplatz.
Yann Sommer ist so etwas wie der Xhaka beim X. Immer noch Torwart bei Borussia Mönchengladbach und - anders als die Kollegen - mit einer stabilen Form.
Zukunft, die ist im Fußball immer ziemlich nah. Vor allem Trainer können ihre Zukunft nicht mehr sehr weit im Voraus planen. Nie waren sie so sehr „temporäre Erscheinungen“, wie es der späte Leverkusener Funktionär Wolfgang Holzhäuser einst in einem goldenen Wort feststellte. Vor allem im unteren Drittel wurde eifrig gefeuert. Resultat: überschaubar.