Kolumne Wissensdrang Der Wert eines Menschenlebens

Meinung · Zur Heilung moralischer Verletzungen trägt ein Schuldspruch wenig bei. Das zeigt die Klage eines Mannes gegen einen Förster, der seine Frau durch ein Unglück mit einem vermoderten Baum verloren hat.

 “Unser unvergessener Liebling“: Inschrift auf einem Grabstein.

“Unser unvergessener Liebling“: Inschrift auf einem Grabstein.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Im Oktober 2019 stürzte im Berliner Grunewald ein vermoderter Spitzahorn auf ein Auto und tötete die Fahrerin. Wenn Menschen durch ein solches Unglück zu Tode kommen, das durch größere Sorgfalt wohl hätte verhindert werden können, erleben dies die Angehörigen nicht nur als persönliche Katastrophe. Sie empfinden es auch als mangelnde Rücksicht gegenüber den Opfern, als Missachtung ihres Rechts auf Leben, ihres persönlichen Werts. Der Ehemann verklagte den Revierförster wegen fahrlässiger Tötung, da er den Zustand des Baumes bei genauerer Kontrolle hätte erkennen müssen. „Das bin ich ihr schuldig“, meinte er. Das Gericht entschied im vergangenen Dezember auf Freispruch, da eine Pflichtverletzung des Försters nicht zweifelsfrei nachweisbar war. Der Witwer empfand dies als eine weitere Geringschätzung seiner Frau, wie in seinem Kommentar zum Ausdruck kam: „Schon traurig, was ein Menschenleben wert ist.“