Maßnahmen des Verkehrsministers Zweifel an Scheuers Klimaschutzplänen

Berlin · Die Pläne des Verkehrsministeriums zur Einsparung von Treibhausgasen stoßen auf Skepsis im Umweltressort und Kanzleramt. Minister Scheuer (CSU) könnte auf der Suche nach Kompromissen umgangen werden. Bei einigen Maßnahmen gibt es bereits klare Annäherungen zwischen Union und SPD.

 Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, am vergangenen Donnerstag im Bundestag.

Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, am vergangenen Donnerstag im Bundestag.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Auf dem Weg zu einem umfassenden Klimaschutzpaket hat die Bundesregierung bis Ende kommender Woche noch eine weite Strecke vor sich. Wichtige Bestandteile wie etwa ausreichende Einsparmaßnahmen im Verkehrssektor seien noch nicht in Sicht, wie es am Freitag aus Regierungskreisen hieß. Und das, obwohl Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) intern bereits eine umfassende Liste vorgelegt hat.

Diesen Plänen zufolge will das Ressort bis 2030 einen hohen Milliardenbetrag für Förderprogramme und andere Maßnahmen ausgeben, um damit den Klimaschutz voranzubringen. Vorgesehen sind beispielsweise eine massive Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Wechsel auf alternative Antriebe bei Autos und Nutzfahrzeugen sowie ein stärkerer Einsatz alternativer Kraftstoffe. Die Umweltorganisation BUND bezifferte die Kosten der beschriebenen Maßnahmen auf rund 75 Milliarden Euro bis 2030.

Konkret soll der Aus- und Neubau im Schienenverkehr auf drei Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt werden. In den Städten soll bis 2030 die Hälfte der Busse elektrisch fahren. Radschnellwege an Bundesstraßen sollen ausgebaut werden. Die Kaufprämie für Elektroautos soll erhöht werden – bis 2023 sind hier laut Papier zusätzliche Gelder von 2,6 Milliarden Euro und bis 2030 von 3,6 Milliarden Euro notwendig. Ebenso ausgebaut werden soll die Lade-Infrastruktur.

Doch es gibt innerhalb der Bundesregierung Ärger um die Berechnungen aus Scheuers Haus. Nach Informationen unserer Redaktion sollen hochrangige Mitarbeiter des Finanz- und des Umweltministeriums beim Kanzleramt Skepsis zum Ausdruck gebracht haben, ob die Einsparziele des Verkehrsressorts realistisch sind. Auch das Kanzleramt habe schließlich angezweifelt, dass die notwendigen Reduktionen mit den vorgestellten Maßnahmen erreicht werden können. Der „Spiegel“ meldete zudem, dass das Verkehrsministerium es abgelehnt habe, die Berechnungsgrundlagen für seine Klimaschutzpläne für eine Prüfung herauszugeben. Nun sollen externe Gutachten klären, ob die Maßnahmen ausreichen.

Der Verkehrssektor ist das Sorgenkind bei den Klimaverhandlunden zwischen Union und SPD. Nur in diesem Bereich liegen die Emissionswerte noch immer auf dem Niveau von 1990. Überall sonst, etwa in der Landwirtschaft oder der Industrie, ist der Treibhausgasausstoß bereits zurückgegangen. Auch die Grünen üben Kritik: „Verkehrsminister Scheuer muss jetzt endlich den Mut aufbringen, klar zu sagen, wohin die Reise in der Verkehrspolitik geht“, sagte Verkehrsausschuss-Chef Cem Özdemir. Man müsse ganz klar und schnell in Richtung emissionsfreie Mobilität und Dekarbonisierung gehen beim Auto, beim Lkw, bei Schiffen und auch beim Flugzeug. „Dazu brauchen wir nicht allein mehr Förderungen, dazu müssen wir vor allem ran an die Strukturen“, so Özdemir. Zurzeit subventioniere man immer noch Dieselkraftstoff mit Milliarden Euro pro Jahr. „Aber wer Neues fordert, darf eben nicht gleichzeitig auch Altes fördern“, sagte der Grünen-Politiker.

Aus Regierungskreisen hieß es nun, dass man bei den Verhandlungen einen Bogen um Scheuer machen könnte, indem es weitere Treffen des Koalitionsausschusses vor der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts am Freitag kommender Woche geben könnte. Auch an diesem Freitagabend kommen die Parteichefs von Union und SPD, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für weitere Verhandlungen zusammen. Scheuer ist dabei außen vor. Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, gilt seit einigen Monaten als deutlich offener für Klimaschutzmaßnahmen. Er schlug selbst immer wieder ambitionierte Maßnahmen wie vergünstigte Bahntickets vor. Denkbar wäre etwa, dass die Koalitionsspitzen letzte Streitigkeiten am kommenden Donnerstagabend im Kanzleramt abräumen – das Klimakabinett mit allen Fachminister könnte in der wichtigen Sitzung am 20. September dann nur noch Haken hinter die Beschlüsse machen.

Und schon jetzt zeichnen sich an einigen Punkten Kompromisslinien ab, andere blieben hingegen noch umstritten:

Gebäude Alle Koalitionäre wollen dem Vernehmen nach die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern und eine Abwrackprämie für alte Ölheizungen zahlen.

Zugtickets Einigkeit herrscht bei Union und SPD darin, Bahnfahren günstiger und damit attraktiver machen zu wollen. So könnte ein gesenkter Mehrwertsteuersatz Fahrkarten um etwa zehn Prozent vergünstigen. Ob das jedoch tatsächlich genug Potential entfaltet, um spürbar mehr Autofahrer von einer Reise mit der Bahn zu überzeugen, ist unklar.

CO2-Preis Unstrittig ist, dass der Ausstoß von Treibhausgasen ein Preisschild bekommen soll – auch in Bereichen wie dem Verkehr. Wie genau diese Bepreisung ausgestaltet werden soll, ist aber noch offen. Bundesumweltministerin Schulze sagte, sie „klebe nicht an einem Modell". Ihr sei wichtig, dass die Bepreisung fair und ausgeglichen sei und denjenigen geholfen werde, die wenig Geld hätten. Daran müsse sich jedes Gesamtkonzept aus wahrscheinlich vielen Einzelmaßnahmen messen lassen. CDU und CSU setzen auf einen zusätzlichen nationalen Emissionshandel für die Bereiche Verkehr und Gebäude. Experten von Union und SPD plädieren für einen Höchstpreis für Zertifikate. Ein rein marktwirtschaftliches Instrument wäre damit vom Tisch.

Erneuerbare Energien Das Ziel, bis 2030 die Stromversorgung zu 65 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu gewährleisten, ist im Koalitionsvertrag verankert und damit Konsens. Die SPD pocht aber darauf, eine bisher geltende Obergrenze für die Förderung abzuschaffen, die Union hält noch daran fest. Ein weiteres Problem: Zuletzt wurden kaum noch neue Windkraftanlagen gebaut. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und der amerikanischen Unternehmensberatung Navigant kommt ferner zu dem Schluss, dass starre Abstandsregeln für Wohngebiete, wie sie etwa in Bayern gelten, schädlich für den Ausbau von Windkraftanlagen sind. „Pauschale Mindestabstände von 1000 Metern führen je nach untersuchter Variante zu einer Reduktion der Flächenverfügbarkeit um zehn bis 40 Prozent“, heißt es in der Analyse, die unserer Redaktion vorliegt. Stünden ohne Abstandsregelung theoretisch rund 3100 Quadratkilometer zur Verfügung, wären es mit einer sogenannten „1000-Meter-Pufferung“ nur noch 2800 – oder nur rund 49.000 Megawatt statt 81.000. Die Regeln in Bayern sind sogar noch strenger: Dort müssen Windkraftanlagen den zehnfachen Abstand ihrer Länge zu Wohngebieten einhalten. Bei einem 200 Meter hohen Windrad sind das zwei Kilometer.

(jd/mar)
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