Aachen Zwangsverwaltung für Euro-Sünder?

Aachen · Notorische Schuldensünder sollen unter europäische "Zwangsverwaltung" gestellt werden und ihre Wirtschaftspolitik aus Brüssel steuern lassen – mit dieser radikalen Idee sorgte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, bei der Verleihung des renommierten Karlspreises für Aufsehen. Falls Pleite-Kandidaten trotz Milliarden-Hilfen der Partner nicht aus der Krise kämen, müsse ein direktes Eingreifen der europäischen Institutionen in die Wirtschafts- und Haushaltspolitik dieser Länder möglich sein, schlug der Franzose vor, der für seine Verdienste um den Euro geehrt wurde.

Langfristig plädiert der im Oktober scheidende EZB-Chef für ein EU-Finanzministerium, das die Aufsicht über Haushaltspolitik und Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer innehat und notfalls Kurskorrekturen vornimmt. Trichets Ideen gehen weit über die bisher geplanten Reformen zur Überwindung der Schuldenkrise hinaus. Weil sie eine Übertragung nationaler Souveränität an die EU bedeuten, wäre zur Umsetzung eine Vertragsänderung nötig, die in allen Mitgliedsstaaten teils in Referenden ratifiziert werden müsste.

Die Reaktionen der Politik fielen skeptisch aus. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bewertete sie als "nicht durchsetzbar". "Eine solche große Vertragsänderung wird es auf absehbare Zeit nicht geben", sagte er unserer Zeitung. "Wir müssen die aktuellen Probleme auf der Basis der geltenden Verträge lösen." Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärte, nationale Parlamente würden sich die Haushalts-Hoheit kaum durch einen EU-Sparaufseher beschneiden lassen wollen. Deutlich kritisierte Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) die Ideen: "Ich halte nichts davon, die nationale Kompetenz in Haushaltsfragen auf die europäische Ebene zu verlagern."

(RP)
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