Deutsche Konjunktur in der Euro-Krise Zugpferd Export wendet Rezession ab

Düsseldorf · Die europäische Schuldenkrise ist auch in Deutschland angekommen. Das Wachstum der einheimischen Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal spürbar verlangsamt. Im europäischen Vergleich steht Deutschland aber noch gut da. Anderen Ländern geht es bedeutend schlechter. Ökonomen sind vorsichtig.

Die aktuellen Konjunkturdaten der Euro-Länder geben Anlass zur Sorge. In Italien brach das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent ein, in Belgien um 0,6 Prozent und in Spanien um 0,4 Prozent. Frankreichs Wirtschaft stagnierte und Österreichs Wirtschaft verlor erheblich an Tempo. Für die gesamte Euro-Zone wird ein Minus von 0,2 Prozent erwartet. Einsamer Konjunktur-Vorreiter ist wieder einmal Deutschland.

Zumindest beim Blick auf die nackten Zahlen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von April bis Juni um 0,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Allerdings: Zu Jahresbeginn waren es noch 0,5 Prozent. Europas Krise schlägt auch hierzulande durch.

Deutschland wirtschaftlich stark

Und doch schätzen Ökonomen Deutschlands Position und wirtschaftliche Stärke positiv ein. Ihr Fazit: Verglichen mit anderen Euro-Ländern steht das Land gut da. Zugpferd der einheimischen Wirtschaft ist wieder einmal die brummende Exportkonjunktur.

So sollen die deutschen Ausfuhren in diesem Jahr die Einfuhren so stark übertreffen wie in keinem anderen Land, hatte das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo in einer am Montag veröffentlichten Studie errechnet.

Demnach steigt der bundesdeutsche Handelsüberschuss auf 210 Milliarden Dollar (170 Milliarden Euro) - und überflügelt damit sowohl China und Japan als auch die ölexportierenden Länder.

"Bemerkenswertes Ergebnis"

Andreas Rees von Unicredit schätzt die Lage so ein: "Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis angesichts des sehr negativen Umfelds in der Euro-Zone. Deutschland liegt in der europäischen Wachstumsliga erneut ganz weit vorn."

Rees geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte immer noch ein leichtes Wachstum hinbekommen wird. Allerdings seien dem Ökonomen zufolge die Risiken zuletzt gestiegen.

Eine deutlich vorsichtigere Einschätzung äußerte Jörg Krämer von der Commerzbank: "Das Wachstum ist recht solide ausgefallen. Bis auf weiteres dürfte das aber die letzte positive Nachricht gewesen sein aus Deutschland. Die Auftragseingänge sinken seit Mitte 2011, der Einkaufsmanagerindex fällt seit Monaten."

Commerzbank skeptisch

Krämer glaubt, dass die deutsche Wirtschaft im Sommer schrumpfen dürfte. Im Vergleich zu anderen krisengebeutelten Euro-Ländern sei sie zwar strukturell gut aufgestellt, ein gänzliches Abkoppeln von der Rezession in der Euro-Zone gelinge nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass auch die Weltkonjunktur einen Gang zurückgeschaltet habe.

Der nun veröffentlichte Konjunkturindikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gibt Krämer recht. Der ZEW-Index hat sich im August weiter verschlechtert. Denach fiel der Wert für die Konjunkturerwartungen in Deutschland um 5,9 Punkte auf minus 25,5. Dabei handele es sich um den niedrigsten Wert des Indikators in diesem Jahr.

Ungeachtet dieser Daten setzten viele Anleger weiter darauf, dass die EZB und auch die Fed noch im Herbst dies- und jenseits des Atlantiks der Konjunktur unter die Arme greifen werden.

(nbe)
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