München Zeuge belastet Ex-Chef der Immobilienbank HRE

München · Georg Funke erschien gestern nicht als Zeuge vor Gericht. Sein Anwalt hatte ihm dazu geraten.

Der frühere Chef der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE), Georg Funke, hätte gestern im Musterverfahren ehemaliger Aktionäre gegen die Bank aussagen sollen. Er zog es aber vor, dem Gericht fern zu bleiben und keine Aussage zu machen. Das hatte ihm auch sein Anwalt Wolfgang Kreuzer empfohlen. Kreuzer sagte, die Entscheidung, dass sein Mandant nicht zu dem Prozess komme, sei am Mittwochabend gefallen. Er habe ihn in München getroffen und ihm mit Blick auf das laufende Strafverfahren dazu geraten. Gründe wollte der Jurist nicht nennen. Auch zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht. Allgemein war die Aussage Funkes erwartet worden. Als Chef der Bank, die der Bund in der Spitze mit Hilfsleistungen von mehr als 100 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch rettete, hätte er zur Klärung des Falls beitragen können. In dem Schadenersatzprozess geht es darum, ob die HRE 2007/2008 Anleger falsch über den tatsächlichen Zustand der Bank informiert und die Investoren so zum Aktienkauf animiert hat.

In Abwesenheit wurde Funke gestern vor Gericht von einem Zeugen belastet. Der Fonds-Manager Robert Machell berichtete von einem Telefonat am 12. September 2007 mit dem damaligen Bankchef, in dem es um die Übernahme der irischen Depfa-Bank durch die HRE ging. Funke habe ein Interesse daran gehabt, den Wert der Depfa-Bank möglichst niedrig anzusetzen. Er habe von Verlusten in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe für die nächsten Jahre gesprochen. Der Businessplan der Depfa sei "Fantasie", zitierte Machell den HRE-Chef. Trotzdem übernahm die HRE die Depfa. Knapp ein Jahr später geriet sie in Schieflage, weil das Geschäftsmodell der Depfa nicht mehr funktionierte. Der Immobilienfinanzierer hatte Geld langfristig verliehen, dieses jedoch sehr kurzfristig refinanziert. Nach der Lehman-Pleite im September 2008 ging diese Rechnung nicht mehr auf. Plötzlich fehlten 35 Milliarden Euro, die auf dem Markt nicht in der erforderlichen Zeit refinanziert werden konnten. Der Bund sprang ein, übernahm in Folge die Mehrheit der Aktien und drängte schließlich die verbliebenen Anteilseigner zu einem Aktienkurs von 1,30 Euro aus dem Unternehmen. Im Laufe des Jahres 2007 war ein Anteilsschein noch rund 50 Euro wert gewesen.

Georg Funke musste im Laufe der Beinahe-Pleite seinen Posten räumen. Auf den folgenden Hauptversammlungen der Bank hatten Aktionäre ihn als Schuldigen an dem Debakel bezeichnet; ihre Wut über ihren Verlust mit der HRE-Aktie wurde zu einer regelrechten Lynch-Stimmung. Funke ging nach Mallorca, wo er mit Immobilien handelte. Von der Öffentlichkeit hält er sich seither fern.

Der Schadenersatzprozess läuft seit Montag. Bereits zum Auftakt hat der Vorsitzende Richter Guido Kotschy den Anlegern Hoffnung gemacht, sie könnten mit ihrer Klage durchkommen. Die HRE habe sich damals zu optimistisch geäußert und eine Informationslücke entstehen lassen.

(RP)
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