Köln Zacherts Geheimplan für Lanxess

Köln · Die Gewinne steigen, aber die Umsätze brechen ein. Der Konzernchef hat einen Plan, aber er verrät ihn nicht. Weltweit stehen die Standorte auf dem Prüfstand, aber der Produktion in NRW geht es gut. Die Mitarbeiter sind verwirrt.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Dax-Chef seinem Unternehmen "ein neues Geschäftsmodell" verordnet. Gleich mehrfach umschrieb der Vorstandsvorsitzende Matthias Zachert gestern so seinen Plan, als er die neuen Geschäftszahlen für den Spezialchemiekonzern vorstellte. Die dümpeln weiter auf niedrigem Niveau vor sich hin. Aber "ein neues Geschäftsmodell"? Was soll das bedeuten? Will Lanxess zehn Jahre nach der zunächst erfolgreichen Abspaltung vom Bayer-Konzern nun keinen Hochleistungskautschuk für Autoreifen mehr produzieren? Keine Pigmente mehr für die Farbindustrie? Keine Chemikalien für die Agrarwirtschaft?

Zachert warb gestern um Verständnis für seine Geheimniskrämerei. Er habe sich mit der Arbeitnehmervertretung vorläufig auf Stillschweigen geeinigt, "und daran halte ich mich", so Zachert. Man wolle die Belegschaft nicht mit Zwischenständen beunruhigen. Dass diese Kommunikationsstrategie ihren Zweck erfüllt, ist aber zweifelhaft. Denn so bleiben die Worte vom "neuen Geschäftsmodell", vom "Stellenabbau in noch unbekannter Höhe", von "eventuellen betriebsbedingten Kündigungen" und von "möglichen Standortschließungen", die der Konzern seit Jahresanfang selbst in die Welt gesetzt hat, weiter unverständlich.

Die Wahrheit ist: Den gesamten Plan kennt Zachert selbst noch nicht. Nur das Ziel ist klar. Er will Lanxess unabhängiger von der Kautschuk-Produktion machen, die den Konzern in die Krise gestürzt hat. Mit Hochdruck sucht er weltweit nach neuen Partnern für den Konzern, die einzelne Anlagen oder auch ganze Sparten übernehmen - oder sich zumindest daran beteiligen. Am liebsten an der notleidenden Kautschuk-Produktion, die 40 Prozent des Lanxess-Umsatzes ausmacht.

Nach Informationen unserer Zeitung werden bereits erste Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Zacherts Plan sieht vor, dass die neuen Partner entweder einen günstigen Zugriff auf Rohstoffe mitbringen oder selbst größere Kautschuk-Anlagen betreiben. Gemeinsam könnte man die Kapazitäten dann geordnet herunterfahren, denn die weltweiten Überkapazitäten betragen inzwischen mehr als 20 Prozent.

Da aber bislang nur das Ziel klar ist, aber noch nicht der Ausgang der Partnersuche, kann Zachert noch gar nicht viel mehr Details verraten als die, die er gestern bekannt gab: Kautschuk-Konzernvorstand Werner Breuers verlässt den Konzern. Vorerst will Zachert die Sparte selbst führen. Die Verwaltung, die unter anderem in der Kölner Zentrale 450 und in einem Langenfelder Rechnungszentrum weitere 100 Mitarbeiter beschäftigt, soll deutlich verschlankt werden. Zachert schrumpft die Konzernstruktur von bislang 14 Bereichen auf zehn zusammen, wobei Führungseinheiten überflüssig werden, die er streichen will. Beruhigend für die 7700 Lanxess-Beschäftigten in NRW: "Unsere Niederrhein-Standorte in Uerdingen, Dormagen und Leverkusen sind gut ausgelastet", sagte Zachert gestern. Rund die Hälfte der 882 Mitarbeiter im Dormagener Werk und ein Drittel der 3304 Mitarbeiter in Leverkusen arbeitet in der gefährdeten Sparte - die meisten der weltweit 16 Kautschuk-Anlagen von Lanxess stehen aber in Nord- und Lateinamerika.

Zacherts Vorgänger Axel Heitmann hatte sich verkalkuliert. Beeindruckt von seiner eigenen Rolle als Weltmarktführer in diesem Bereich investierte er trotz Überkapazitäten noch in zwei neue Großanlagen in China und Singapur. Die nehmen in Kürze ihre Produktion auf und sind so groß, dass sie den Preisverfall für Kautschuk noch weiter beschleunigen werden: Allein die Anlage in China steht für zehn Prozent der globalen Synthetik-Kautschuk-Produktion. Kautschuk wird unter anderem als Vorprodukt für Autoreifen gebraucht.

(RP)
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