Hambacher Forst Wutprotest hilft Klima wenig

Wuppertal · Gastbeitrag Ein lohnendes Protestziel für die Fridays-for-Future-Bewegung wäre eine Ausweitung des Emissionsrechtehandelssystem auf 85 Prozent der Emissionen – wie in Kalifornien. Das wäre günstiger als das teure Ausstiegsszenario der Kohlekommission.

 Aktivisten stehen im Hambacher Forst auf einem Baumhaus.

Aktivisten stehen im Hambacher Forst auf einem Baumhaus.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Es gibt immer neue Proteste gegen den Tagebau Garzweiler in NRW. Für die Zeit vom 15. bis 27. August wird zum Klimacamp Rheinland von Seiten der Klimaschützer aufgerufen. Das Aktionsbündnis „Kohle ersetzen“ ruft zu einer Blockadeaktion auf. Hinter den Protesten vieler Jugendlicher steht die Sorge um das Klima, und die Kohleverstromung ist dabei ein symbolischer Hauptgegner, obwohl der ganze Energiesektor und die Industrie seit 2005 in den EU-Emissionsrechtehandel eingebunden sind.

Der sieht so aus, dass eine jährliche Obergrenze durch die EU-Länder beziehungsweise die EU festgelegt worden ist, wobei die Emissionshöchstmenge aktuell jährlich um 1,74 Prozent bis 2020 sinkt; danach um 2,2 Prozent jährlich. Dieses für 45 Prozent der Emissionen geltende Emissionsrechte-Handelssystem bringt zuverlässig die CO2-Emissionen im kombinierten Emmissionshandelssektor (Energie plus Industrie) auf immer niedrigere Werte: 2030 sind minus 43 Prozent gegenüber 1990 angestrebt und das Ziel ist schon 2020 mit etwa minus 27 Prozent als erwarteter Wert auf gutem Wege. Das System funktioniert ähnlich wie in Kalifornien, wo sogar 85 Prozent der Emissionen ins Zertifikate-Handelssystem aufgenommen sind, wobei der US-Bundesstaat noch die beiden kanadischen Bundesstaaten Ontario und Quebec einbezogen hat.

Dieser Zertifikatehandel veranlasst Unternehmen und Kraftwerksbetreiber mit hohen (Grenz-)Kosten der Emissionsvermeidung im Markt von anderen Unternehmen, mit niedrigen Kosten der Emissionsminderung, Zertifikate zu kaufen.

Im Effekt werden zu volkswirtschaftlich geringsten Kosten die Emissionen über einen Emissionsmarkt so vermindert, wie der Staat das eben über die Höchstmengen vorgegeben hat – der Marktpreis für ein Zertifikat liegt Mitte 2019 bei 26 Euro pro Tonne CO2. Die einfache und überzeugende Logik des Emissionszertifikatehandels, der zudem auch in der Republik Korea, in China und in Teilen Japans umgesetzt wird, hat im Fall der EU natürlich eine klare Konsequenz für zusätzliche Braunkohlestillegungen: Wenn also 2038 etwa 250 Millionen Tonnen Emissionen des Braunkohle- und Steinkohlesektors in Deutschland durch Stilllegung gemäß Plan der Kohlekommission wegfallen, geschieht das zu Kosten von etwa 90 Milliarden Euro. Das dürfte etwa das Doppelte sein, was an Kosten entsteht, wenn man den CO2-Zertifikatehandel sein Werk einfach machen lässt – also keine Kohlekommission zur Einmischung einlädt, die praktisch jedem in Deutschland 500 Euro extra aufbürdet.

Die ganze öffentlich mit Wut inszenierten Eingriffe zur Stilllegung der Braunkohle – oft nach dem Motto: je schneller ein Ende der Braunkohle,  desto besser – ist eine in guter Absicht vorgenommene Aktion. Sie bringt aber CO2-Minderung zu völlig überhöhten Kosten. Das verstehen die Demonstranten im Rheinischen Revier offenbar nicht, und auch der Öffentlichkeit und einer Vielzahl von Lehrern sind diese Zusammenhänge mangels Erklärungsarbeit der Bundesregierung unklar.

Ökonomisch und klimaschutzpolitisch sinnvoll ist es nicht, die größten Emissionsunternehmen vom Markt zu nehmen – auch wenn das der eigenen Klimafurcht emotional plausibel erscheinen mag. Dem Klima wird am meisten dann klug geholfen, wenn man dort die Emissionen massiv zurückführt, wo die Kosten der Emissionsminderung am geringsten sind. Genau das wird durch den Emissionszertifikatehandel erreicht.

Wenn man durch zusätzliche nationale Stilllegungseingriffe beim Klimaschutz im EU-Emissionszertifikate-Sektor aktiv wird, erhöht das nur die Kosten des Klimaschutzes. Beispiel: Der Kohleausstieg wie er von einer wenig kompetenten Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Arbeitsplätze vorgeschlagen wird, dürfte etwa 90 Milliarden Euro kosten. Das ist etwa doppelt so viel wie ein sich im Zeitablauf durch das Emissionshandelssystem ohnehin bis 2050 einstellender Rückbau der Kohleverstromung ergibt. In der Kohlekommission waren vom Roten Kreuz über Greenpeace bis hin zum Bundesverband der deutschen Industrie viele Gruppen vertreten; da sind viele gesellschaftliche Gruppen majestätisch repräsentiert. Das von der Kommission vorgeschlagenen Ausstiegsjahr 2038 ist willkürlich, der Zertifikatemarkt, der CO2-intensive Produktion verteuert, erreicht in etwa dasselbe zu den halben Kosten. Faktisch hat die Kohleausstiegskommission eine Lösung Richtung Bundestag geschoben, die wegen hoher Regionalhilfen und neuer Strompreissubventionen doppelt so teuer ist, wie sie eigentlich sein könnte.

Damit fehlen in der Bildungs-, Innovations- und Sozialpolitik wegen der Kohlekommission am Ende 45 Milliarden Euro. Gegen die Kohlekommission kann man wegen der majestätisch angelegten Zusammensetzung kaum eine öffentliche Debatte aufsetzen. Die Demokratie wird durch solche Mega-Kommissionen unterhöhlt. Das ist bedauerlich.

Den jugendlichen Protestgruppen kann man ihre Sorgen ums Klima nicht vorhalten. Ein lohnendes Protestziel wäre, dass man das Emissionshandelssystem auf 85 Prozent  der Emissionen – wie in Kalifornien – ausgeweitet und dass mehr nationale und internationale Forschungsförderung für klimafreundliche Produkte und Produktionsverfahren realisiert wird. Bis 2025 wäre anzustreben, dass die bestehenden Emissionshandelssysteme aller aktiven G20-Länder integriert würden und die nichtaktiven Länder zu Emissionshandelssystemen übergingen. G20Plus als Ländergruppe, die alle EU-Länder umfasst, steht für 94 Prozent der globalen Emissionen. Auf diese Weise wäre der Umzug von der Emissions-Zeit in einen klimaneutralen Planeten Erde noch vor 2050 sicher und kostengünstig machbar.

Die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Proteste haben auf ihrem Kongress in Dortmund die magische Zahl des Umweltbundesamtes (UBA) mit sich genommen, wonach eine Tonne CO2-Emission 2016 einen Schaden von 180 Euro anrichtete. Das ist aber eine sehr zweifelhafte Zahl. Für die Schweiz kommt eine Studie für 2007 auf 48 Euro –  bei Fortschreibung auf 2016 landet man bei zirka 60 Euro. In der Schweiz sind Pro-Kopf-Einkommen und Preisniveau höher als in Deutschland. Die UBA-Zahl 180 Euro ist nicht solide. Wenn der Schaden einer Tonne CO2 nur ein Drittel von 180 Euro ist, dann ist die Klimakrise weniger als halb so groß wie bisher angenommen.

Wenn Greta Thunberg auf einer Privatyacht zwecks CO2-Vermeidung in rund zwei Wochen nach New York segelt, ist das eine Luxusvariante der Atlantiküberquerung für eine UN-Rede. Man könnte einfach fliegen, zirka 100 Euro  CO2-Kompensation zahlen und hätte dann ein Verhalten, das wohl im Sinn von Kants Kategorischem Imperativ liegt. Oder sollte das Yacht-Segeln zur Norm einer allgemeinen Gesetzgebung für eine Transatlantik-Reise werden?

Die Mehrheit der Menschen in Europa will wohl, dass alle Menschen nachhaltig leben können. Das ist möglich, gerade durch Nutzung der CO2-Zertifikate-Handelssysteme. Allerdings müsste der Rückgang der Mengenobergrenze mehr als die bislang ab 2021 festgelegten minus 2,2 Prozent in der EU sein; eine notwendige Größenordnung, um bis 2050 minus 90 Prozent gegenüber 1990 erreicht zu haben, liegt bei gut minus fünf Prozent. Auch dafür lohnt es zu demonstrieren.

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