Wohnungskrise in Deutschland Warum der Staat jetzt nicht als Bauherr einspringen sollte

Analyse | Düsseldorf · In der Wohnungskrise rufen viele nach der Öffentlichen Hand, die mehr bezahlbare Angebote schaffen soll. Doch für sie sind die Bedingungen nicht besser. Einen Teil der Probleme hat der Staat selbst verursacht.

 Ein Arbeiter geht auf der Baustelle eines Wohnhauses mit einer Schubkarre über das Baugerüst.

Ein Arbeiter geht auf der Baustelle eines Wohnhauses mit einer Schubkarre über das Baugerüst.

Foto: dpa/Soeren Stache

Bei großen Wohnungskonzernen wie Vonovia und der LEG ist die Bereitschaft für den Bau von Wohnungen auf dem Nullpunkt. Viele Neubauprojekte für 2023 sind gestoppt worden, fertig gebaut wird nur noch, was angefangen wurde. Immer mit dem Verweis auf hohe Zinsen, hohe Baukosten, zu starke Reglementierung, zu viele staatliche Auflagen unter anderem beim Klimaschutz. Auch woanders sind Investoren abgesprungen, Projektentwickler in die Insolvenz gegangen. Mit ihrem 14-Punkte-Programm, das die Bundesregierung am Montag präsentierte, will sie die Probleme am Wohnungsmarkt lindern. Doch ihre Fertigstellungsziele sind längst in weite Ferne gerückt und auch durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten, stärkere KfW-Förderung und anderes nicht mehr zu erreichen.

Wenn die Privaten also weniger bauen, muss dann der Staat einspringen und als Bauherr Lücken stopfen? Also noch aktiver und deutlicher über das hinausgehen, was die Ampelkoalition an Hilfsmaßnahmen verkündet hat?

Eins ist klar: Der Staat war noch nie der bessere Unternehmer, und er ist es auch nicht als Bauherr. Dazu muss man nicht einmal gigantisch verteuerte Projekte wie die Elbphilharmonie, den Berliner Großflughafen oder Stuttgart 21 in Erinnerung rufen. Das Urteil lässt sich genauso festmachen an Projekten, bei denen die öffentliche Hand mit einer schlechten Zahlungsmoral Baufirmen in massive Probleme gestürzt hat. Zudem gilt: Einen Teil der Probleme, die sowohl große Projektentwickler und Baugesellschaften wie private Bauherren mit sich herumschleppen, hat auch der Staat. „Er kann auch nicht günstiger bauen als andere, er hat die gleichen Standards zu erfüllen, die Zinsen sind auch für ihn hoch, die Baukosten genauso“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Und auch der Mangel an Baumaterial trifft private und öffentliche Bauherren gleichermaßen.

Die Folge: Auch städtische Wohnungsbaugesellschaften müssten, um ihre Kosten zu decken, Mieten erhöhen – zugegebenermaßen weniger stark als private Großkonzerne, die die Renditewünsche ihrer Investoren berücksichtigen müssen. Aber wer glaubt, dass bei stark steigenden Baukosten Mieten stabil bleiben könnten, nur weil die öffentliche Hand der Bauherr und Vermieter ist, der irrt. Zumal es gerade die Renditeunabhängigkeit ist, die auch den Kostendruck nimmt und ihren Teil zur Verteuerung beiträgt.

Trotzdem rufen in der aktuellen Not manche nach dem Staat. Er soll derjenige sein, der für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgt. Wie in Berlin, wo längst die nächste Diskussion über die Enteignung privater Wohnkonzerne losgetreten worden ist. Abseits aller verfassungsrechtlichen Bedenken, die man dabei haben kann, vergessen viele offenbar, dass der Staat einen Teil der Probleme selbst geschaffen hat: Beim Erwerb von Wohneigentum beispielsweise dadurch, dass wir in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern eine Grunderwerbsteuer haben, die das Bauen und Kaufen um Tausende Euro verteuert. Bei der Frage schieben sich Bund und Länder seit geraumer Zeit den Schwarzen Peter zu, wer Steuersenkungen auf den Weg bringen könnte – die viele in Wahrheit nicht wollen, weil keiner auf Einnahmen verzichten mag. Der Staat ist auch verantwortlich für die zahlreichen Auflagen, die das Bauen immer teurer haben werden lassen – selbst wenn das manchmal unumgänglich ist, nimmt man die Klimawende ernst. Verantwortlich ist der Staat auch für Bauverordnungen und Genehmigungsverfahren, die hoch kompliziert oder langwierig sind.

Daran wird jetzt gefeilt. Und die 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr, die die Bundesregierung einst als Ziel verkündet hat, sind allen aktuellen Zahlen zum Trotz auf der Agenda der Ampelkoalition geblieben. Wobei man infrage stellen kann, ob mehr Sozialwohnungen unser Wohnproblem wirklich in dem Ausmaß lösen, wie die Politik das suggeriert.

Natürlich ist sozialer Wohnungsbau mit Wohnberechtigungsscheinen eine sinnvolle Sache, weil er über günstige Angebote Haushalten mit geringem Einkommen einen finanziellen Vorteil bei der Wohnungssuche ermöglichen soll. Aber in vielen Fällen profitieren eben auch Haushalte mit mehr Geld in der Kasse davon, deren Einkommen im Verlauf gestiegen sind, die aber deswegen noch lange nicht ausziehen. „Die Treffsicherheit ist relativ gering“, sagt IW-Experte Voigtländer.

Dazu kommt: Wenn die Zahl der Wohnungen deutlich kleiner ist als die Zahl der Anspruchsberechtigten, kommen am Ende doch wieder jene zu kurz, die den verbilligten Wohnraum am meisten nötig hätten. Deshalb gilt: Subjektförderung ist der Objektförderung vorzuziehen, weil sie Hilfen direkt an der Einkommenssituation festmacht. Beispielsweise über das Wohngeld.

Und beim Bauland hätten Bund, Länder und Kommunen auch einen Schlüssel in der Hand, um preisgünstigeren Wohnraum zu verbilligen, beispielsweise über Konzeptvergaben, bei denen den Bietern die Erfüllung von Nebenbedingungen abverlangt wird. Beispielsweise preiswerte Wohnungen anzubieten, altersgerechte dazu oder Studentenwohnheime. Aber auch da müsste Bauen billiger werden. Dabei ist der Staat gefragt als derjenige, der möglichst gute Rahmenbedingungen schafft, unnötige Reglementierung beseitigt, Hilfen direkt an Bedürftige zahlt. Aber nicht als Bauherr.

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