Ravensburg Wohl bekomm's!

Ravensburg · Darf ein Bio-Brauer aus dem Allgäu mit dem Wort "bekömmlich" für sein Bier werben? Das Landgericht Ravensburg muss genau diese Frage klären. Der Prozess könnte Folgen für andere Betriebe der Zunft haben.

Im Laufe des feucht-fröhlichen Loriot-Sketches "Die Benimmschule" verkündet der angetrunkene Protagonist Herr Blümel mit schwerer Zunge: "Wenn meine Gattin Klöße zubereitet, sind sie leicht und bekömmlich", und nimmt noch einen Happen. Das Wort "bekömmlich" leitet sich dem Duden zufolge vom mittelhochdeutschen "bekomlich" (passend, bequem) ab und kann mit "leicht verdaulich" oder "verträglich" umschrieben werden. Was bei Blümels Klößen zutraf, soll auch für drei Biersorten von Gottfried Härle gelten. Mit dem Wort warb der mehrfach ausgezeichnete Allgäuer Bio-Brauer auf seiner Website für seine Produkte - und handelte sich damit jede Menge Ärger ein.

Denn dem Berliner Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) stieß der Werbebegriff übel auf: Beim VSW herrscht die Auffassung, dass "bekömmlich" die Gefahren des Alkoholgenusses verschweige und eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggeriere. Der VSW erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Brauerei aus Leutkirch. Die Werbung mit dem Begriff wurde tatsächlich gerichtlich untersagt. Bis zur Klärung darf die Firma, die 1897 gegründet wurde, ihr Bier nicht mehr bekömmlich nennen. "Das Wort war in unserem Internetauftritt bei drei Sorten mit drin", sagt Brauereichef Härle, "das haben wir erst einmal entsprechend geändert."

Die Republik ist nun um einen skurrilen Fall mit ernstem Hintergrund und womöglich Folgen für die Branche reicher. Denn der Bio-Brauer wollte das Verbot nicht auf sich sitzen lassen. Härle zog vor das Ravensburger Landgericht, das sich gestern erstmals mit dem Fall beschäftigte. Der Brauereichef argumentiert unter anderem mit Tradition: "Wir haben schon in den 30er-Jahren damit geworben und sehen auch wirklich keinen Grund, weshalb wir davon Abstand nehmen sollten. Für uns heißt das im Zusammenhang mit unseren Bieren, dass sie gut fürs Wohlbefinden sind."

Der VSW sieht dagegen bei seinem Verbotsantrag europäisches Recht auf seiner Seite und beruft sich insbesondere auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2012. Der entschied damals: Winzer dürfen nicht mit Werbeslogans wie "bekömmlich", "sanfte Säure" oder "Edition Mild" für ihren Wein werben. Das sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die auf den geringen Säuregehalt und die leichtere Verdauung hinweise, aber die Gefahren beim Trinken von Alkohol verschweige (Az.: C-544/10). Das EU-Recht verbietet für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol Angaben, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggerieren. Zum Schutz der Verbraucher dürfen Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung solche Begriffe verwenden.

Die Frage ist allerdings, ob das Wein-Urteil automatisch auch für Bier gilt. Der VSW sagt: Ja. Die Firma Härle wiederum argumentiert: Das EuGH-Urteil nehme ganz klar Bezug auf die Zusatzaussage, dass der Wein deshalb bekömmlich sein solle, weil er einen niedrigen Säuregehalt habe: "Bei Wein kann der Säuregehalt zu Beschwerden führen. Daher ist das dort auch eine gesundheitsbezogene Aussage." Das sei beim Bier nicht der Fall, daher sei das auch nicht vergleichbar.

Der Verband der Privaten Brauereien in Deutschland beobachtet den Prozess ganz genau - denn es gibt noch andere Betriebe, die den Begriff für ihr Bier verwenden. "In den Grundsatzaussagen könnte das ein Präzedenzfall werden", heißt es.

Auf einen Vergleich wollte sich Härle gestern nicht einlassen. Diese Möglichkeit hatte der Richter angedeutet. Für die Brauerei ist klar: "Es geht nicht um einen Vergleich oder eine Kostenregelung, sondern um eine grundsätzliche Frage, ob es in unserem Land sein kann, dass man ein Volksgetränk nicht mehr als bekömmlich bezeichnen darf." Eine Entscheidung wird für kommenden Dienstag erwartet.

(maxi)
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