Kolumne Die Ökonomin Schlecht bezahlt, am meisten gebraucht

Düsseldorf · In der Krise werden die meisten Topverdiener nicht benötigt,sondern Pflegekräfte, Einzelhändler, Lagerarbeiter. Etwas ist schiefgelaufen.

 Die Coronakrise stellt auch die Arbeitswelt auf den Kopf. Als es richtig losging, schickte die Unternehmensberatung EY 1500 Mitarbeiter ins Homeoffice; an der Krisenfront werden sie nicht gebraucht. Wie so viele Topkräfte nicht. Die Helden des Alltags sind andere: viele engagierte Ärzte, Pflegekräfte in  Kliniken und Altenheimen, die Kassiererin und der Regalpacker im Handel. Sie können nicht ins sichere Homeoffice, sie müssen vor Ort bleiben bei den Kranken oder sich mit aggressiven Hamsterkäufern herumschlagen. Ausgerechnet diese Arbeitnehmer werden besonders schlecht bezahlt. Bei unserem Entlohnungssystem ist etwas schief gelaufen.

Auffällig ist, dass dies ausgerechnet Berufe sind, in denen der Frauenanteil traditionell hoch ist. Im Handel sind 72 Prozent der Belegschaft weiblich, in Gesundheitsberufen 82 Prozent. Hier haben es die Gewerkschaften nicht vermocht, hohe Löhne durchzusetzen. Das liegt an der Art der Arbeit: viele kleine Arbeitgeber, viele Teilzeitkräfte, zersplitterte und unterdurchschnittlich verdienende Branche. Ganz anders sieht es in der männerdominierten Auto- oder Chemieindustrie aus: Große Konzerne als Leitpferde der Tarifverhandlungen, mit IG Metall und IG BCE mächtige Gewerkschaften. Diese haben immer ganz andere Löhne durchsetzen können.

Löhne bilden sich am Markt. Es gibt keinen inneren Wert einer Ware und auch nicht einer Arbeitskraft. Löhne ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Dieses Prinzip hebelt auch die Coronakrise nicht aus. Aber die starke Arbeitskräfte-Nachfrage jetzt wird ein Signal setzen, das Gehaltsgefüge zu ändern. Und wenn in 20 Jahren die Babyboomer-Generation im Pflegeheim ist, wird die Altenpflegerin ohnehin zu einer der begehrtesten Fachkräfte werden. Darauf sollten  Firmen sich einstellen – sonst verschwinden sie vom Markt.

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